inder, unsterbliche Kronos hatte ihr jedes Neugeborene aus den Armen gerissen und in seinen unersättlichen Schlund gestopft. Nun fühlte Rhea das sechste Kind in sich wachsen, und da gelobte sie, es Kronos nicht auszuliefern. Sie konnte das Schweigen der Eingeschlossenen nicht länger ertragen.
Denn die Kinder waren nicht etwa umgekommen! Wenn Kronos sie hätte töten
können, hätte er sich nicht die Mühe gemacht, sie in seinem eigenen Leib einzusargen.
Aber sie waren ja unsterblich, und so hockten sie in einer der fahlen Kammern
seines steinernen Herzens, und hatten sie anfangs noch Pläne geschmiedet, sich
zu befreien, so taten sie dies schon lange nicht mehr. Denn Kronos konnte sie
ja hören, und damit war jeder Plan schon verraten, wenn sie ihn über die Lippen
brachten. Sie hatten zwar versucht, sich mit Zeichen zu verständigen, allein
diese stumme Sprache reichte nicht aus, und wenn sie die Zeichen erklären wollten,
verrieten sie sich wiederum. So blieb ihnen nichts, als schweigend auf ein Wunder
zu warten. - Franz Fühmann, Prometheus. Die Titanenschlacht. In: F.
F., Marsyas.
Mythos
und
Traum
.
Leipzig 1993 (Reclam 1449, zuerst 1974 ff.)
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