erlchen   Es lebte in Frankfurt am Main, in einem schönen und ruhigen Bürgerhaus an einer Allee mit Kastanien, ein anderes Männlein. Es lebte dort, in einer weiträumigen Wohnung im ersten Stockwerk, mit einer Frau, die, jenseits von Hoffnung und Resignation, gut aussah. Das Männlein hockt alltäglich und allnächtlich an einem Holztisch und notiert. Manchmal verläßt es sein Schreibzimmer und geht hinüber in einen hellen Salon, trinkt dort mit der Frau eine Tasse Kaffee, bitter und schweigend. Dann verschwindet das Männlein wieder in seinem Zimmer. Es ist sehr umständlich, dieses Kerlchen, nicht eigentlich klein von Figur, eher stumm und kompakt. Es trägt Nadelstreifenanzüge mit Weste, britisches Schuhwerk, ruhige Krawatten. Es duscht vor dem Baden, rasiert sich, nimmt täglich frische und teure Unterwäsche, Mum für die Achselhöhlen, After shave von Paul Pierre, es frühstückt steinern mit großen Damastservietten, die es um seinen Hals legt. Wenn das Männlein trinkt, trinkt es sich zu Boden; wenn das Männlein wieder aufsteht, schaufelt es heimlich Tabletten. Wenn das Männlein notiert, notiert es nie unter zehn Stunden, ohne Pause. Es schaut manchmal verlangend auf einzelne Bücher in seiner kleinen Bibliothek aus kostbaren Ausgaben, gesammelt in vielen Jahren mondänen Desinteresses am laufenden Geschehen. Hin und wieder nimmt es eine Schallplatte aus einer kleinen Sammlung. Hört der Musik zu. Kein Muskel bewegt sich dabei im Gesicht des Männleins, nichts verrät Bewegung in seiner Schneemiene. Das Männlein trinkt oder arbeitet, in schweigsamer Gepreßtheit, mit seelenloser Ruhe. Wenn es, was selten vorkommt, das Haus verläßt, braucht es für kleinste Entfernungen ein Taxi.  - (kap)
 
 

Kerl

 

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