erl, widerlicher   Maigret ging in den kaum beleuchteten Laden hinein, den eine Theke aus schwarzem Holz in zwei Teile teilte. Kleine, ebenfalls schwarze Holzfächer befanden sich an den Wänden und waren mit Briefen gefüllt.

»Ich möchte gern wissen...«, begann der Alte.

»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, brummte Maigret, »werde ich die Fragen stellen. Sie erhalten, nicht wahr, Briefe mit Anfangsbuchstaben, was bei postlagernden Sendungen verboten ist, so daß Sie ja eine hübsche Kundschaft haben müssen.«

»Ich zahle Gewerbesteuer!« antwortete der Alte nur.

Er trug eine Brille mit dicken Gläsern, hinter denen sich listige Augen verbargen. Sein Rock war unsauber und der Kragen seines Hemdes ausgefranst und schmutzig. Ein ranziger Geruch ging von ihm aus und verbreitete sich in dem ganzen Laden.

»Ich möchte wissen, ob Sie ein Register führen, in dem sie die Anfangsbuchstaben und daneben die vollen Namen Ihrer Kunden notieren.«

Der Alte grinste.

»Glauben Sie, daß sie noch herkommen würden, wenn sie ihren Namen angeben müßten? Soll ich vielleicht von ihnen auch noch die Vorlage ihrer Personalausweise verlangen?«

Es war ein widerwärtiger Gedanke, daß hübsche Frauen heimlich in diesen Laden schlichen, der so vielen Ehebrüchen und so vielen anderen unsauberen Dingen Vorschub leistete.

»Sie haben gestern morgen einen Brief erhalten, auf dem die Anfangsbuchstaben J. M. D. standen.«

»Das ist gut möglich. Ich habe es schon Ihrem Kollegen gesagt. Er wollte sich sogar durchaus vergewissem, daß der Brief nicht mehr hier war.«

»Es hat ihn also jemand abgeholt? Können Sie mir sagen, wann?«

»Ich weiß es nicht. Aber selbst wenn ich es wüßte, würde ich es Ihnen wohl nicht sagen.«

»Sind Sie sich nicht klar darüber, daß ich den nächsten Tag Ihren Laden schließen lassen könnte?«

»Das haben mir schon andere gesagt. Aber mein Laden befindet sich schon seit zweiundvierzig Jahren hier. Wenn ich alle die Ehemänner zusammenzählte, die hergekommen sind, Lärm geschlagen und mich sogar mit ihrem Stock bedroht haben...«

Lucas hatte gar nicht so unrecht gehabt, als er gesagt hatte, es sei ein widerlicher Kerl.

»Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich jetzt die Läden schließen und essen gehen.«

Wo mochte dieser Bursche zu Mittag essen? War es möglich, daß er eine Familie, Frau und Kinder hatte? Er war sicherlich Junggeselle, und zweifellos hatte er seinen festen Platz und seine in einem Ring steckende Serviette in irgendeinem schmuddeligen Restaurant in der Nähe. - Georges Simenon, Maigret im Luxushotel. München 1977 (Heyne Simenon-Kriminalromane 59, zuerst 1942)

 

Kerl Ekel

 

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme