enntnis,
intime
Die Biographie des Mannes zeigt ihn uns als ein typisches Zeitprodukt,
auch wenn wir die übelriechenden Nachrichten, die
ein offenbar lange nach seinem Tode verfaßtes Pamphlet vor uns ausbreitet, mit
größter Vorsicht anfassen. Auf jeden Fall steht ein leidenschaftlicher Parteimann
vor uns, der die regierende Clique mit bitteren Anklagen verfolgt, sich aber
in nichts von ihr unterscheidet, so daß sein skandalöser Lebenswandel
zur Ausstoßung aus dem Senat durch die Censoren Anlaß gab. Sollte man geneigt
sein, ihn in dieser Hinsicht als ein Opfer gegnerischer Intrigen zu betrachten,
so lassen sich doch die ungeheuren Reichtümer, die er sich während des Bürgerkrieges
zu erraffen verstand und die ihm erlaubten, die nach ihm benannten märchenhaften
Gärten auf dem Monte Pincio anzulegen, nicht aus der Welt schaffen. Aus dem
Munde eines solchen Römers tönen - das läßt sich kaum leugnen - die unerschöpflichen
Ausfälle seiner historischen Schriften gegen den Sittenzerfall der Nobilität
sehr seltsam, die notiones censoriae, wie sein Zeitgenosse Varro
sie nennt (Gellius XVII, 18), dem der Widerspruch
von Wort und Leben des Sallust auch zu denken gab, das lärmende Eifern
besonders gegen das Laster der avaritia, der Habsucht, die er als das
Krebsübel seiner Zeit bezeichnet. Der leidenschaftliche Verzweiflungsschrei
über den Niedergang des römischen Staates, der «aus dem herrlichsten und besten
zum schlechtesten und verbrecherischsten wurde» (Cat. 5), paßt schlecht in den
Mund eines skrupellosen Nutznießers dieses gleichen Regierungssystems. -
Ernst Howald, Einführung in: Sallust, Historische Schriften. München 1991 (dtv
2261, zuerst ca. 40 v. u. Z.)