ellner

 

 

 - N.N., aus: Djuna Barnes, New York. Berlin 1987 (zuerst ca. 1917)

Kellner (2)  Der Kellner, der ein großer Bewunderer Hortenses war, zwinkerte ihr heftig zu, was sie geflissentlich übersah; bereits zu dieser Stunde des Tages war er in einem Zustand ziemlich fortgeschrittener, jovialer Trunkenheit, aber insofern noch aktionsfähig, als man annehmen durfte, daß er die bestellten Gläser nicht umstoßen würde. Hortense und der junge Mann bestellten jeder ein Schweppes und eine Tasse Kaffee. Gastounet, der Kellner, machte zu Hortense seine übliche Bemerkung.

»Die haben wirklich Glück da drüben, daß sie Sie haben, das ist doch ganz was anderes als ihre verstaubten Bücher.«

Sein Gesicht, einheitlich weinfarben, war erst beim Beaujolais (am Spätnachmittag erreichte es das Dunkel mancher Bordeaux', und manchmal sogar die Farbe des Vin gris). Hortense hatte sich lange gefragt, wie er in diesen Zustand der Trunkenheit geriet, wo ihn doch seine Chefin, die so überaus streng wirkte, ständig im Auge hatte und ihm bestimmt nicht erlaubte, an der Theke zu trinken; schließlich hatte sie seine Strategie entdeckt: Die Tische in der Kneipe »Die falsche Signatur« waren von der Theke durch ein Aquarium mit Goldfischen getrennt, das ganz zugestellt war und überragt wurde von fast mannshohen Grünpflanzen. Gastounet, der Kellner, brachte sein Tablett mit den schmutzigen Gläsern und Tassen an die Theke, räumte es ab und füllte es dann mit neuen Bestellungen: zum Beispiel ein Schweppes, ein Kaffee, zwei Halbe, eine kleine Flasche Vichy, ein Glas Beaujolais; mit einer flinken Bewegung holte er darauf die Flasche Beaujolais oder Côtes-du-Rhône unter der Theke hervor und fügte ein Glas einer Phantom-Bestellung hinzu, das er zusammen mit den anderen auf seinem Tablett mitnahm; wenn er dann die Gäste bedient hatte und genau in dem Augenblick, in dem er wegen einer neuen Bestellung an die Theke zurückkehrte und dem Arbeitgeberauge eine Sekunde lang hinter der höchsten der Grünpflanzen verborgen blieb, leerte er blitzschnell das noch volle Glas und brachte es unschuldig mit zurück, in den weinseligen Augen ein kleines Leuchten der Zufriedenheit. - Jacques Roubaud, Die schöne Hortense. München 1992 (dtv 11602, zuerst 1985)

Kellner (3)

Kellner (4)

Kellner (5)  Der Kellner, ein armer Teufel. Wird nicht lange bleiben. Vor dieser hat er schon mehrere andere Stellen gehabt. Niclit daß er trinkt, aber im Kopf stimmt's nicht seit seinem Motorradunfall. Er vergißt die Bestellungen, kommt dreimal zu den Gästen zurück, irrt sich bei jeder Abrechnung. Manchmal steht er da, starrt ins Leere, der Cbef scheißt ihn an, er führt hoch, man merkt genau daß er gar nicht weiß wo er ist. Und mir nichts dir nichts wird er gegen die Stammgäste ausfällig, gegen den Monsieur zum Beispiel, von dem Sie sprachen, der jeden Vormittag hier seinen Cafe-creme trinkt, plötzlich beschimpft er ihn neulich als alten Hurenbock, als ... Der Monsieur ist ruhig geblieben, er hat schon ganz anderes erlebt, er ist Sekretär oder sowas im Altersheim, das ist sicher nicht einfach, weder mit den Insassen noch mit der Direktorin, bei der man sich fragt wieso die nicht schon seit langem entlassen ist, sie jagt einem Angst ein wenn sie nur guten Tag sagt, als wollte sie einem an die Kehle springen. Erst letzte Woche war ich dort um meine Tante anzumelden, sie kann nicht mehr allein bleiben, ich habe . . . kurz und gut, was wollte ich sagen .. . ach ja der Kellner, der Chef hat ihn schon zwei Monate behalten, weil er sein Patenkind ist und jetzt Sauregurkenzeit, aber ich sage Ihnen das kann nicht so weitergehen, der arme Kerl wird wieder eine Stelle suchen müssen und weiß Gott wo landen. Was mich wundert ist, daß er manchmal, wenn man freundlich mit ihm redet und er Vertrauen hat, daß er dann sehr vernünftige Sachen sagt, ein Haufen Geschichten über bestimmte Leute und nicht etwa irgendwelche, denn vor seinem Unfall hatte er als junger Angestellter in verschiedenen Schlössern gearbeitet, ja Monsieur, zuerst in dem im Tal, das Sie sicher im Vorbeifahren gesehen haben, mit dem dicken Turm und den Pechnasen, dann hier beim Meister, wie er genannt wird. Der Diener, der ihn ersetzt hat, ist seit mehr als sechs oder sieben Jahren nicht mehr dort, obwohl er so tut als wüßte er alles, als wär' er noch denen ihr Faktorum.

Im übrigen nicht immer sehr appetitliche Geschichten, auch wenn sie Schloßherren waren, ich habe in einem Geschichtsbuch gelesen, daß die Seigneurs im Mittelalter schlimmer waren als wie die Tiere in bezug auf Anstand und Sitten, na ja die Adligen von heute . . .- Robert Pinget, Der Feind. Berlin 1988


 

Wirtshaus Beruf Bedienung

 

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