Kelleruniversum    Inspiriert durch die chaotische Inflationstheorie, entwickelte Guth das »Universum im Keller«. Seit er das Universum mit einem freien Mittagessen verglichen hatte, liebte er Theorien über das Nichts. Angesichts der Tatsache, daß man nur neun Kilogramm falsches Vakuum brauchte, um ein Universum zu schaffen, überlegte Guth, was wohl passieren würde, wenn man eine Handvoll Materie zu einer so ungeheuren Dichte und Temperatur komprimieren könnte, daß die Temperatur der großen Vereinheitlichung wieder erreicht würde und ein falsches Vakuum entstünde.

Würde die Versuchsanordnung mit exponentieller Kraft explodieren und das lokale Universum auslöschen? Die Antwort, so fand Guth zu seinem Vergnügen heraus, lautete ja und nein zugleich. Wenn man neun Kilogramm Materie zu einem Klumpen von 1024 Zentimetern Durchmesser komprimieren könnte, hätte er eine Masse, die ungefähr 1075 mal so dicht wäre wie Wasser. Wenn außerdem bestimmte andere Bedingungen erfüllt wären, würde sich eine Blase falschen Vakuums bilden oder ein »child universe« (ein Ableger des Universums; A. d. Ü.), wie Guth es nannte. Von außen betrachtet würde es wie ein Schwarzes Loch aussehen, von innen her aber wie ein Universum, das sich inflationär ausdehnte. »Das Experiment wäre ungefährlich«, erklärte Guth. Das »child universe« würde sich parallel zu unserem Universum entwickeln und sich in seiner eigenen Raumzeit ausdehnen. Das Schwarze Loch, seine Nabelschnur, wäre innerhalb von 10-34 Sekunden verschwunden, und damit wäre jede Verbindung zwischen dem »child universe« und unserem Universum gekappt. Obwohl das neue Universum von außen wie ein sich auflösender Schwarzer Punkt aussehen würde, wäre es von innen ein richtiges Universum, das sich Milliarden von Lichtjahren ausdehnen und Galaxien bilden könnte.

Außer der Energie, die man brauchte, um Materie so zu komprimieren, daß ein falsches Vakuum entstünde, stießen Guth und sein Mitarbeiter Ed Fahri nur noch auf ein weiteres Hindernis, das die Entstehung ihres »Kelleruniversums« verhindert hätte. Damit der dichte kleine Punkt kein hundsgewöhnliches Schwarzes Loch würde, mußte er auf eine bereits existierende Singularität geheftet sein - und die fand man in einem Durchschnittskeller vermutlich nicht.

Es gab jedoch einen Ausweg, wie Guth kichernd erklärte. Der Quantentheorie zufolge müßten im Raum viele solcher Singularitäten in Form virtueller Schwarzer Löcher existieren. Ihr brodelnder Kollaps und ihr ständiges Verschwinden würden ständig kleinste Teile von Raum und Zeit aus dem Gleichgewicht bringen - und vielleicht die Grundlage für neue Universen liefern. Die Quantenfluktuationen könnten also buchstäblich unter unseren Händen permanent unendlich viele Universen ausbrüten. Es könnte eine unendliche Kette von Universen geben, die wiederum neue Universen gebären würden. Die Energie, die man für den Beginn eines neuen Universums brauchte, war zwar mit den gegenwärtigen technischen Möglichkeiten nicht zu erzeugen, aber das bedeutete nicht, daß das für alle Zukunft so bleiben mußte. Vielleicht gab es irgendwo draußen im Meta-Universum eine überlegene Rasse, die dazu in der Lage wäre.

»Tatsächlich«, schloß Guth, »könnte jemand das Universum, in dem wir leben, in seinem Keller gestartet haben.« Und dabei lachte er in sich hinein.   - Dennis Overbye, Das Echo des Urknalls. München 1993

Universum

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