aterpoesie  

baemu súti falla kúr
mostin arasíban taégna.
kiu tende vossagúr:
flagedárad ássa.

 

Durch die trunkne Mitternacht
Streichen gespenstische Katzen.
Bald halten Morgenwacht
Geschwätzige Spatzen.

Hermann Kasack bezeichnet die ibolithische Strophe als »ein schönes Beispiel für die im Ibolithischen bekannten Vierzeiler der sogenannten Katerpoesie « und läßt uns Einzelheiten seines Übersetzens durch folgende Anmerkungen deutlich werden:

Zeile 1 wörtlich: während der fallenden Stunde der Nacht.
Zeile 2 arasíban: adverbial: gespenstisch.
Zeile 3 wörtlich: Wer hält Morgenandacht -
Zeile 4 flagedárad: Schwatzhaft werdende
Zeile 4 ássa - nicht zu verwechseln mit dem bei Heine vorkommenden Wort asra.

Über die originalgetreue Übersetzung von taégna = Katzen und flagedárad ássa = geschwätzige Spatzen ist kein Wort zu verlieren. Dagegen wird der Kulturhistoriker nicht beim blossen Wortsinn verharren, sondern in den Gesang der Sinnhuber (Vischer, Faust III) einstimmen und eine tiefere Deutung, eine nochmalige Häutung dichterischer Zwiebel fordern, wie es dort heißt. Denn daß Katzen durch die Nacht schleichen und dann die Spatzen das Morgenkonzert eröffnen, nun, was ist daran schon? Aber mit ,Katzen' sind natürlich die angetrunkenen Bürger der Ibolithen gemeint, die zur nächtlichen Stunde heimwärts schleichen - ein tröstliches Bild, wenn man sich vorstellt, wie die braven Ehemänner von ihren alkoholischen oder sonstigen Exzessen zurückkehrend, nächtlich über Dächer schleichen und in Giebelfenster einklettern, um unbemerkt heimzugelangen. Leider nicht immer unbemerkt. Auch in den ibolithischen Städten gab es jene schwatzhaften Typen, die morgens auf den Gassen ausposaunen, was ihnen ein lächerlicher Zufall, ein vermuteter Schatten bei Nacht zugetragen hat. Nun wird uns auch klar, warum der ibolithische Dichter das Bild der Katze wählt: Auch damals schon stand die Katze, beziehungsweise der Kater, in naher Beziehung zum übermäßigen Alkoholgenuß. In der dichterischen Umschreibung ergibt sich somit ein aufschlußreiches Bild von den Vergnügungen der Ibolithen und vom geltenden, wenn auch gelockerten sittlichen Wertsystem, das dem unsern nicht unähnlich gewesen zu sein scheint. - Heinz Gültig und Hermann Kasack, nach: baemu suti oder: Das Ibolithische Vermächtnis. Hg. Heinz Gültig, Zürich 1959

Ibolithisch Poesie Kater
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