Katermord  Ich vergesse nie, wie ich unsern alten Kater umbringen sollte. Wir hatten Glück damit, unsere Kater lange am Leben zu erhalten, so daß wir beständig ein uraltes Exemplar im Hause hatten. Und der ging in der Regel mit Narben und Schrammen von tollen Kämpfen einher. Nun war er krank geworden und hatte einen Ausschlag bekommen, so daß er für uns Kinder ein gefährlicher Kamerad war; ich sollte ihn deshalb töten. Nicht well ich der Älteste von uns Buben gewesen wäre: das war ich nicht; aber weil sich meine Mutter in aller Heimlichkeit an mich und keinen ändern wandte, deshalb wollte ich ihr's nicht abschlagen: ich würde schon der Rechte sein für so ein Geschäft. Und es würde bei einer solchen Tat nicht wenig Ruhm dabei für mich abfallen.

Ihn ertränken wollte ich nicht. Denn da würde er keine Luft kriegen, meinte ich. Mit einem Strick wollte ich ihn erdrosseln. Ich mochte damals neun, zehn Jahre sein, und der Kater war in demselben Alter, so daß von meiner Seite mit viel Mut verfahren werden mußte. Ich nahm den Kater mit mir in den Vorratsraum. Hier warf ich die Endschlinge des Stricks über einen schweren Eisenhaken in der Wand, machte eine Schlinge mitten ins Seil und steckte den Hals des Katers in diese Schlinge. Dann fing ich an zu ziehen.

Nie habe ich einen kranken Kater so munter werden sehen. Er sagte nicht viel und jammerte mich nicht sonderlich an, aber am Anfang fauchte er ganz fürchterlich. Ich wurde kalt vor Entsetzen. Dann machte er sich daran, seinen Körper um den Strick herumzuschleudern: unter ihn, hoch über ihn und nach den Seiten hin; einmal erreichte er mich mit seiner Kralle und ritzte mich gehörig. Es war gut, daß der Strick so lang war. Ich wagte mich nach und nach ganz bis ans Ende hin und zog aus allen Leibeskräften. Der Kater setzte seine seltsamen Verschlingungen fort: manchmal liegt er lang und flach längs des Seiles, manchmal liegt er über dem Seil auf dem Kopfe, die Hinterbeine zu unbegreiflicher Höhe empor gestreckt. Ich fing an, ihm zuzureden, wie man einem Pferde zuredet, und sagte, er sollte ruhig sein; aber er konnte mich schwerlich noch hören. "Wir kämpften wohl fünf Minuten lang auf diese rasende Art miteinander, da macht der Kater einen letzten Schwung hoch übers Seil hinauf, krümmt sich in der Luft zusammen und fällt nieder. Still bleibt er hängen. Aber ich wußte, daß ein Kater zählebig ist, ich ließ den Strick nicht los, bevor nicht weitere fünf Minuten vergangen waren. Jedermann hätte mich jetzt umblasen können, so zitterten mir die Beine.

Der Kater war tot. Und ich heimste meinen Ruhm ein von den Kameraden. Denn es war nicht jedermanns Arbeit, was ich vollführt hatte; mit diesen meinen zwei Fäusten hätte ich den Kater erwürgt, so sagte ich. Und wollte mich jemand fragen, ob er nicht gekratzt habe, so konnte ich eine lebensgefährliche Schramme auf der Hand vorzeigen und jedermann überzeugen.

Und bis auf diesen Tag ist's den Menschen verborgen geblieben, wie ich eigentlich den Kater vom Leben zum Tode befördert habe...     - Knut Hamsun, Unter Tieren. Sämtliche Romane und Erzählungen Bd. 5. München 1977

 

Katertod Mord

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme