atakomben Ich
klettere eine Leiter hinunter in die stinkende Dunkelkammer.
Die andern folgen mir. Wir lassen unsere Taschenlampen kreisen. Das Loch ist
in einem jämmerlichen Zustand. Kaum möbliert, jedoch nicht so feucht wie zu
befürchten war. Bestimmt befindet sich irgendwo eine unsichtbare Entlüftungsanlage.
Aber der Ort ist bewohnbar und wurde auch noch vor kurzem bewohnt. Ein Nachttischchen
neben dem Feldbett enthält Kerzen und Konserven. Sonst nichts Interessantes.
Der fette Hosenscheißer zündet ein Dutzend Kerzen an und stellt sie auf eine
Kiste. Das läßt aber auch keine romantische Stimmung aufkommen. Erinnert mehr
an eine Totenwache. Unsere Schatten
führen an den Wänden und an dem Gewölbe eine großartigen
Totentanz auf. Es gibt noch einen Raum. Er ist leer, bis auf einen Haufen Asche
in einer Ecke. Ich wühle mit dem Fuß darin rum. Nicht alles ist verbrannt. Ich
finde glänzendes Fotopapier, das vom Feuer verschont geblieben ist. Dahinter
liegt noch ein drittes Zimmer, aber hier beginnt schon die unbekannte Unterwelt
von Paris. Von hier aus kann man theoretisch zu den Katakomben des XIV. Arrondissements
gelangen oder auch zur Rue de Carrières d'Amerique im XIX... Aus diesem dritten
Kellerraum kommt auch der widerliche Gestank, der
einem den Atem verschlägt. Genauer gesagt, aus einer Art Brunnen ohne Rand,
einem Schacht, der sicher noch zu weiteren Gängen führt. Paris steht auf einem
Schweizer Käse. Aber hier auf dem rechten Seineufer gibt es besonders viele
unterirdische Gänge, die so manche Überraschung bereithalten. Nicht weit von
hier, unter Esders, dem Geschäft auf der Rue de Rivoli, soll es unter der Erde
eine gotische Kapelle geben.
Mich kann hier so langsam nichts mehr überraschen. Völlig gelassen sehe ich
auf dem Boden des Brunnenschachtes einen Mann zusammengekrümmt liegen. Wahrscheinlich
liegt er nicht deshalb dort, weil er Angst vor uns hat. Um solch einen Gestank
zu verbreiten, braucht man schon mehrere Tage. - Léo Malet, Spur ins Ghetto. Bühl-Moos
1986 (zuerst 1957)
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