Kasuistik  Ist es Selbstmord, sich (wie Curtius) in den gewissen Tod zu stürzen, um das Vaterland zu retten? – oder ist das vorsätzliche Märtertum, sich für das Heil des Menschengeschlechts  überhaupt zum Opfer hinzugeben, auch wie jenes für Heldentat anzusehen?

Ist es erlaubt, dem ungerechten Todesurteile seines Oberen durch Selbsttötung zuvor zu kommen? – selbst wenn dieser es (wie Nero am Seneca) erlaubte zu tun?

Kann man es einem großen unlängst verstorbenen Monarchen zum verbrecherischen Vorhaben anrechnen, daß er ein behend wirkendes Gift bei sich führte, vermutlich damit, wenn er in dem Kriege, den er persönlich führte, gefangen würde, er nicht etwa genötigt sei, Bedingungen der Auslösung einzugehn, die seinem Staate nachteilig sein könnten; denn diese Absicht kann man ihm unterlegen, ohne daß man nötig hat, hierunter einen bloßen Stolz zu vermuten?

Ein Mann empfand schon die Wasserscheu, als Wirkung von dem Biß eines tollen Hundes, und, nachdem er sich darüber so erklärt hatte: er habe noch nie erfahren, daß jemand daran geheilt worden sei, brachte er sich selbst um, damit, wie er in einer hinterlassenen Schrift sagte, er nicht in seiner Hundewut (zu welcher er schon den Anfall fühlte) andere Menschen auch unglücklich machte; es fragt sich, ob er damit unrecht tat?

Wer sich die Pocken einimpfen zu lassen beschließt, wagt sein Leben aufs Ungewisse: ob er es zwar tut, um sein Leben zu erhalten, und ist so fern in einem weit bedenklicheren Fall des Pflichtgesetzes, als der Seefahrer, welcher doch wenigstens den Sturm nicht macht, dem er sich anvertraut, statt dessen jener die Krankheit, die ihn in Todesgefahr bringt, sich selbst zuzieht. Ist also die Pockeninokulation erlaubt?  - Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten

 

Recht Wahrheitsfindung

 

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