asernenkoller
Stundenlang saß er stumm und schweigend da, um dann plötzlich jemand völlig
grundlos zu beleidigen. Er trieb sich in seiner Freizeit nicht mehr in den Wäldern
umher, schlief schlecht, hatte böse Träume und störte die andern durch sein
Gestöhn. Niemand machte sich jedoch wegen dieser Dinge irgendwelche Gedanken.
Es
gab noch weit sonderbarere Dinge in der Kaserne. Ein alter Feldwebel schrieb
jeden Abend dem gleichen Filmstar einen Brief, in welchem er, wie in einem Tagebuch,
alles berichtete, was er tagsüber getan hatte. Am nächsten Morgen gab er dann
den Brief vor dem Frühstück zur Post. Ein anderer Mann, der zehn Dienstjahre
hinter sich hatte, sprang aus einem Fenster des dritten Stocks, weil ein Freund
ihm nicht fünfzig Cent für Bier hatte leihen wollen. Ein Koch, der in derselben
Kompanie Dienst tat, litt unter der Zwangsvorstellung, daß er Zungenkrebs habe,
wogegen alle beruhigenden Versicherungen der Ärzte machtlos blieben. Stundenlang
saß er vorm Spiegel, streckte die Zunge so weit heraus,
daß er die Geschmacksknötchen sehen konnte, und aß so wenig, daß er zum Skelett
abmagerte. - Carson McCullers, Spiegelbild im goldenen Auge. Zürich 1974 (zuerst 1941)
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