arussell
Sie bahnte sich einen Weg zu dem rosa Pferd und lachte, das Pferd hob sich langsam
in die Höhe und senkte sich und stieg wieder hoch; als es abwärts ging, schloß
sie die Augen und überließ sich dem immer schnelleren kreisenden Rhythmus, der
sie an die Peripherie drängte, so daß sie sich mit beiden Händen festhalten
mußte. Sie war so selig, daß sie hätte weinen mögen. Warum war das bloß alles
so herrlich, die laute Musik und das Herumfliegen und das Festhalten an der
Stange und das Auf und Nieder, Auf und Nieder - so wundervoll -, irgend etwas
saß ihr in der Kehle, und als sie die Augen öffnete, sah sie unten die dunklen
Bäume vorbeifliegen und die Lichtpunkte, und am Rande der Dunkelheit standen
ein paar Gestalten und lächelten ihr zu. Wo waren die Eltern? Sie wollte ihnen
zuwinken. Dann zogen sich ihre Schultern zusammen wie unter einem Schlag, und
die Tränen schössen ihr in die Augen, denn sie erkannte nun: was so herrlich
gewesen war, das war nur die Tatsache, daß man ein Kind war, daß unten die Eltern
standen und winkten und ihr zuriefen, sie solle sich festhalten, daß man rittlings
in kurzem Kleidchen auf einem Holzpferd saß, daß man nur noch eine Stunde aufbleiben
durfte und dann zu Bett gebracht wurde und zu klein war, um unten die Fußwand
des Bettes mit den Zehen zu erreichen, und daß man am nächsten Tag wieder mit
Papa im Wagen fuhr und fragte: »Wo übernachten wir wohl heute, Papa?«, und das
alles, alles war längst versunken, vorbei für immer.
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Patricia Highsmith, Als die Flotte im Hafen lag. In: P.H., Gesammelte
Erzählungen. Zürich 1973
Karussell (2)
Karussell (3)
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