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Von einer Transzendenz für Birnen
zu sprechen galt selbstverständlich als die reine Subversion. Bei Phoebus war
alles auf der Effizienz der Birnen aufgebaut - dem Verhältnis zwischen der nutzbaren
Energieausbeute und dem dafür notwendigen Energieaufwand. Das Netz forderte,
daß dieser Wirkungsgrad so niedrig wie möglich zu sein habe. Auf diese Weise
konnten sie mehr von ihrem Saft verkaufen. Umgekehrt vergrößerte dieser schlechte
Wirkungsgrad jedoch die Lebensdauer der Glühbirnen, was sich auf die Verkaufszahlen
bei Phoebus negativ auswirken mußte. Anfangs versuchte Phoebus, den elektrischen
Widerstand der Glühdrähte zu erhöhen und auf diese Weise, klammheimlich und
ganz langsam, die Brenndauer der Birnen zu verringern - bis man beim Netz die
rückläufigen Einnahmen bemerkte und sein Veto zu schreien begann. Nach und nach
einigten sich die beiden Parteien auf einen Kompromiß in der Lebenserwartungsfrage,
der ihnen beiden genügend Reingewinne ließ, und auf eine Fifty/fifty-Teilung
der Kosten für die gemeinsame Anti-Birnendiebstahls-Kampagne. Parallel dazu
führten sie einen subtileren Feldzug gegen jene kriminellen Elemente, die auf
den Gebrauch von Elektrizität und Birnen überhaupt verzichten und sich mit Kerzen
leuchten. Phoebus schloß ein langfristiges Abkommen mit dem Fleischkartell,
das auf eine allmähliche Reduzierung des Talgangebots auf dem Markt durch Erhöhung
des Fettanteils in Fleischwaren - ungeachtet eventueller Schädigungen der Herzkranzgefäße
bei den Verbrauchern -und Umdirigierung der trotzdem anfallenden Fettrückstände
in die Seifenindustrie hinauslief. Seife war damals ein expansiver Wirtschaftszweig
mit glänzenden Aussichten. Das Bland-Institut hatte gerade tiefverwurzelte Gefühle
in Sachen Scheiße bei den Konsumenten entdeckt. Selbst angesichts solcher Möglichkeiten
waren die Verflechtungen mit Fleisch und Seife für Phoebus jedoch nur von untergeordneter
Bedeutung. Wesentlich mehr kam es auf Wolfram an. Ein weiterer Grund, warum
Phoebus die Lebensdauer der Birnen nicht allzu drastisch reduzieren konnte.
Ein zu großer Bedarf an Glühdrähten hätte die verfügbaren Wolframvorräte aufgezehrt
- die zum überwiegenden Teil aus China bezogen wurden, was delikate Fragen der
Fernostpolitik ins Spiel brachte - und die Absprachen zwischen General Electric
und Krupp über die Wolframkarbidproduktion - wer, wo, wieviel und zu welchem
Preis - gestört. Der vereinbarte Rahmen betrug 37 bis 90 Dollar pro Pfund in
Deutschland, 200 bis 400 Dollar pro Pfund in den USA. Diese Preise regulierten
unmittelbar die Produktion von Werkzeugmaschinen und auf diese Weise sämtliche
Bereiche der Leicht- und Schwerindustrie. Als der Krieg kam, hielten es einige
Leute für unpatriotisch von GE, Deutschland einen solchen Vorteil eingeräumt
zu haben. Aber niemand, der irgendwelche Macht gehabt hätte, keine Angst.
- Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
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