Ein schmunzelnder Direktor von Mercedes-Benz sagte hinter Eugen: »Hier wird die Ouvertüre geblasen für die Sommerleidenschaften.« Das mochte stimmen. Dir graut es, wenn du dich ins Gewühl der Empfindungen hineinstürzen sollst.
Trotzdem zog es ihn an, und wahrscheinlich war dies kein Wunder; und draußen hältst du dich halt trotzdem ... Wie Radiowellen oder Magnetströme meinte er's zu spüren. Richard, der Arzt, machte einen Zungenkuß mit einer, daß es beinahe geschnalzt hätte, sozusagen. Und der Franzose mit dem pfiffig geschärften Gesicht und den wie schläferigen Augendeckeln schaute Richard dabei zu. Bald danach begegnete Eugen dem Blick dieses Franzosen, als er aufschaute aus seinem Weinglas und der Franzose drüben an der Türumrahmung lehnte.. Jetzt saß eine Blonde Eugen gegenüber, eine im schwarzen Kostüm. Sie lächelte, als die Musik wieder begann, und fragte Eugen:
»Packen wir's?« Er mußte tanzen und bedauerte
jede Dame, die es mit ihm wagte. Freilich, einmal
hatte es sich so ergeben, daß sie sich tanzenderweise angeglichen hatten.
Das war damals gewesen, als Richard zu ihm gesagt hatte: »Kümmere dich
um das Madie ...« Eine Woche später war sie geschieden gewesen. Nicht wegen
Eugen und weil er auf Emils Faschingsball mit ihr getanzt hatte, sondern
aus irgendwelchen schlimmen Gründen. Sie fiel ihm ein, während die im schwarzen
Kostüm ihre Arme um ihn legte. Jene andere hatte auch ein schwarzes Kleid
getragen, eine Dunkelhaarige, während diese hier dichtes, helles, hochgekämmtes
Haar hatte und kleiner war; und ihm gefiel der Gegensatz (oder der Widerstreit)
ihres Messinghaargespinstes und der anliegenden Kostümschwärze; was er
zu ihr sagte. Da schaute sie auf und sagte: »Das haben Sie mir schon vor
einem Jahr gesagt...« Richtig, er entsann sich ihrer, und weil sie lächelte,
fürchtete er sich fast. - Hermann
Lenz, Ein Fremdling. Frankfurt am Main 1988 (st 1491, zuerst 1983)
Karneval (2, norddeutsch)
Karneval (3, mediterran)
Karneval (4, gemalter) Als sich Masaccio
eines Tages in dem ersten Gasthaus vor der Porta a San Gallo befand und
mit einigen guten Freunden dort zu Mittag gegessen hatte, geschah es, daß es,
just als er aufbrechen wollte, wie mit Kübeln zu gießen anfing. Die Freunde
setzten sich infolgedessen zum Spielen nieder, er jedoch, der kein Vergnügen
daran fand, nahm Kohle zur Hand, rückte einen Tisch an eine Wand und malte dort
den Triumph des Karneval. Zuerst zeichnete er
einen Wagen aus Cacio cavallo , der, an Stelle
von Blumengewinden und Girlanden, mit Würsten bekränzt
war. Seine Räder waren vier Laibe Parmesankäse, und er wurde von vier Hausschweinen
gezogen. Auf ihm, gerade in der Mitte, saßen zwei Gestalten, die eine
Bacchus und die andre Venus, die den Karneval
auf den Händen Portechaise trugen. Dieser war splitternackt und groß und fett,
genau so wie — beinah hätt' ich's gesagt... aber lassen wir das Vergleichen
beiseite, das mag ein jeder selber besorgen, wie es ihm gut scheint und gefallt!
Genug: Er war recht feist und gut gewachsen. Den einen Arm schlang er um den
Hals der Venus, und in der Hand hielt er einen Bratspieß voll Lebern. Mit dem
ändern Arm umhalste er Bacchus und hatte dabei in der Hand einen Spieß, an dem
ein Schweinsrücken, eingerahmt von zwei Lendenstük-ken, stak. Auf dem Kopf trug
er eine Blutwurst und einen Kranz von Bratlebern; vom Hals hing ihm gleich einer
Halskette eine Schnur Würste herab; im Mund hatte er einen kleinen Holztrichter,
in den Pomona, die man geflügelt, mit einem Faß in den Händen, in der Luft schweben
sah, Vernaccia goß, und Karneval
mit seinem krebsroten Gesicht sah aus, als ob er bei seinem eifrigen Schluckgeschäft
ein unsagbares Vergnügen empfände. Bacchus war jugendlich gemalt, krauslockig
und blond; auf seinem Haupt aber sah man einen Kranz aus einem Zweig mit reifen
Erstlingsfeigen samt den Blättern. Venus hatte Flechten, die sich über den ganzen
Rücken ausbreiteten, zu einer Million von kleinen Knoten zusammengefaßt waren
und fast bis auf die Erde herabfielen. Bekränzt war sie mit Bohnen, die zum
Teil in Blüte standen, zum Teil schon Schoten hatten, aber nur eine einzige
Staude bildeten. Beide waren nackt, doch erhob sich von der Erde ein Ackerwindenstengel,
der bis zur Scham des Bacchus emporwuchs und dort mit einer weißen glockenförmigen
Blüte seinen Klöppel verhüllte, wahrend der Venus eine
Klatschrose die Schamteile verschloß. Hinter
ihnen stand Adonis mit einer Klistierspritze in der
Hand, um dem Karneval eine stärkende Ladung zu verabreichen. Cupido hielt nach
Art der Karrenführer die Zügel in der Hand und lenkte die Schweine, die wie
die andern Figuren so gut gezeichnet und so behend und schön in ihren Bewegungen
waren, daß sie lebendig schienen. - Antonfrancesco
Grazzini, Feuer auf dem Arno. Berlin 1988 (zuerst ca. 1550)
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