Kap

Noch mehr wollt' mir der Riese anvertrauen
Von unserer Zukunft Los, als auf ich sprang
Und fragend rief: Wer bist Du, der mit Grauen
Ob seiner Glieder Unmaß mich durchdrang?
Da ließ sein Maul die gelben Zähne schauen,
Ein wilder Schrei die Lüfte gell durchklang:
Dann sprach er, aber traurig und verdrossen,
Als hätt' die Frage ihn zutiefst getroffen:  

Ich bin das große Kap, das im Verborgnen liegt,
Das euer Mund nach Stürmen einst benannt,
Das nie ein Ptolomäus, Plinius oder Strabo
Noch andrer Weisen Forschen je erkannt;
Die Küsten, da die Afrikaner wohnen,
Verlieren sich in meinem nie erschauten Felsenband,
Das weit hinaus bis hin zum Südpol deutet
Und dem nun eure Frechheit schwere Schmach bereitet.

Einst zählt' ich zu der Gäa rauh'sten Söhnen,
Wie Enceladus, wie Aegäon, und der Hundertarmige,
War der Titanen einer, nannt mich Adamastor,
Bekriegte den, des Hand die Blitze hält Vulkans;
Doch türmt ich Felsen nicht auf Felsenberge,
Ich nahm für mich das Reich des Ozeans,
Ich wurde der Herrn des Meeres einer, zog aus,
Mich mit des Neptunus Heer zu messen.

   Das uralte Wesen erzählt nun, wie es einst in Liebe zu Thetis, der Tochter des Meergottes Nereus, entbrannte, und wie diese ihn im Rausch seiner Leidenschaft an ihrer statt ein felsiges Waldgebirge umarmen ließ. Zu dieser maßlosen Schmach gesellte sich dann ein weiteres Mißgeschick: Die Himmelsgötter besiegten das erdgeborene Titanengeschlecht im Krieg, und mit den anderen Titanen zusammen wurde auch Adamastor gebannt:

Zu harter Erde werden Fleisch und Sehnen,
Der Knochenbau erstarrt zum Felsenstück,
Ich fühle die Gestalt sich riesig dehnen,
Vor der die Flut weicht mehr und mehr zurück;
Des Riesen Glieder, die zum Himmel gähnen,
Zeigt Götterwille als dies ferne Kap dem Blick,
Und daß ich größre Qual noch soll ertragen,
Umspülen auch in diesem Meer mich Thetis' Wogen.

So sprach er, und dem schwarzen Schlund entrangen
Sich Seufzer schwer, als er dem Blick entschwand,
Der Wolke Schwarz zerfloß, und rauschend klangen
Die blauen Fluten, treibend nach dem Strand;
Da hob ich meine Hände im Gebet empor,
Zu der Engel, die uns hierher führten, heil'gem Chor
Und betete zu Gott, er möge von uns wenden,
Was Adamastor uns als Zukunft mußte senden.

- Camões, nach (meer)

 

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