-
(hoe)
Kannibalismus
(2) Seit Jahrhunderten sind Fälle
bekannt, in denen die gesamte Bevölkerung von Dörfern und Siedlungen spurlos
verschwunden ist. Luftaufnahmen aus der ganzen Welt zeigen Hunderte von Dörfern,
in denen sich die Menschen in Luft aufgelöst zu haben
schienen. -
(hoe)
Kannibalismus (3) Daß die Delfine treu zusammenhalten und sich unter Umständen gegenseitig vielleicht auch vertheidigen und schützen, darf wohl nicht gänzlich in Abrede gestellt werden: ob aber die zarteren Gefühle wirklich auch den Sieg über ihre, hinter der keines anderen Delfines zurückstehende Gefräßigkeit und Raubgier in allen Fällen davontragen, dürfte sehr fraglich sein. Während unserer Reise auf dem Rothen Meere wurde unser Dampfschiff regelmäßig von Delfinen umschwärmt und mehrmals kamen diese unmittelbar vor dem Buge des Schiffes so hoch zur Oberfläche empor, daß ein erfolgreicher Schuß auf sie abgegeben werden konnte. Sogleich nach dem Schusse färbte sich das Wasser roth von dem gewaltsam ausströmenden Blute; der getroffene Delfin drehte sich einige Male um sich selbst herum und kam dann langsam zur Oberfläche empor. Alle übrigen Mitglieder der Bande blieben augenblicklich beim Leichname zurück, nach Versicherung unseres erfahrenen Schiffsführers aber nur in der edlen Absicht, den liebwerthen Genossen aufzufressen.
Das Gebiß bekundet deutlich genug, daß der Delfin zu den schlimmsten Räubern
des Meeres gehört. - Alfred
Brehm, nach dem Gutenberg-Projekt
Kannibalismus (4) Die Spinnen
müssen immer einen vollen Magen haben. Wenn sie nicht genügend zu Fressen haben,
dann fressen sie sich gegenseitig auf. - Fritz Vollrath (Spiegel 39 /
2002)
Kannibalismus (5) In der Frühzeit des Universums kamen Zusammenstöße ganzer Sterneninseln noch relativ oft vor. Denn am Anfang war das Weltall viel kleiner als heute. Entsprechend lagen die Galaxien enger beieinander. Vor zehn Milliarden Jahren geschah es deshalb hundertmal häufiger, dass zwei Sternenhaufen kollidierten und sich vereinigten — und mit ihnen auch ihre beiden Schwarzen Löcher. "Erst durch diesen kosmischen Kannibalismus", erläutert Astrophysiker Hasinger, "konnten die Galaxien und die in ihrem Innern schlummernden Schwarzen Löcher zu ihrer enormen Größe heranwachsen."
Solche Fressorgien sind selten geworden. Denn nach Art eines Luftballons, der unaufhörlich aufgeblasen wird, hat sich der Kosmos seit seiner turbulenten Jugendzeit immer weiter ausgedehnt. Die Abstände zwischen den Galaxien haben zugenommen. Mittlerweile stoßen Sterneninseln nur noch selten zusammen — folglich sind ihre Schwarzen Löcher auf Diät gesetzt.
Doch wie das Inferno in NGC 6240 zeigt, passieren Galaxien-Crashs manchmal selbst heute noch und führen den schlafenden Schwerkraftmonstern frische Beute zu. Auch auf unsere heimatliche Milchstraße rast derzeit mit 400 000 km/h eine fremde Welteninsel zu: die benachbarte Andromeda-Galaxie.
Kein Grund, sich Sorgen zu machen: Auf Grund der großen Entfernung kommt
es erst in sechs Milliarden Jahren zur Kollision. - Olaf Stampf,
Der Spiegel 48 / 2002
Kannibalismus (6) Der Fang und die Haltung von
Menschen ist kostspieliger und mühsamer als der jeder
anderen Tierart. Aber wenn die Horden und Dorfgemeinschaften sowieso Krieg führten,
warum sollten sie sich dann nicht gegenseitig aufessen, wenn sich die Gelegenheit
dazu bietet? - (
mensch
)
Kannibalismus (7)
Kannibalismus (8)
Kannibalismus (9) Im Palindrom jedenfalls thematisiert
sich die Irreversibilität, indem sie sich auffrißt - Mordnilapsuspalindrom:
»Ich habe Johann Nestroys Zivilisationsgroteske vom Häuptling Abendwind oder
dem greulichen Festmahl bis auf die Knöchelchen abgenagt, die meine Knöchelchen
sind. Denn die reale Menschenfresserei (Anthropophagisrnus) ist eine vom Standpunkt
des Menschen auf sich selbst bezogene Art des Verzehrs, die im Mund, also mit
der Zunge oder Sprache beginnt, im Zwerchfell sich umstülpt und an den Extremitäten
endet, also ein palindromitischer Vorgang der Einverleibung und Entäußerung,
kurzum ein Text, der mit sich hadert, nicht metaphysisch, sondern tatsächlich,
also vom Anfang, der schon sein Ende ist, über ein dubioses Scharnier zu einem
Ende, das schon im Anfang war, das Wort. An sich ein verzweifelnder Vorgang
der Rücksicht auf der und auf die Zeitachse, die ja nur in einer Richtung läuft,
eine entsetzliche Geschichte mit Südseezauber im Abendwind. Wer im Kessel sitzt,
kennt das Scharnier. Noch hängt die Syntax in Fasern dran. Das sind die Palindrome,
an denen sich Sprecher noch einmal aus dem Schlamassel ziehen.«
-
Oskar Pastior, Nachwort zu
(palin)
Kannibalismus (10) Wir wissen viel zuwenig über
die tatsächlichen Ursprünge der Geschichtlichkeit. Daß der Samen vom Ei verschlungen
wird, hat einige Biologen zu der Vermutung gerührt, der Ursprung habe mit den
Vorteilen zu tun, die sich für eine Zelle ergeben können, wenn sie eine geeignete
andere Zelle verspeist. Wir verlassen die Debatte über die Ursprünge der geschlechtlichen
Fortpflanzung mit diesem appetitlichen Gedanken. - (
zeit
)
Kannibalismus (11)