amel,
violettes
Nicht vergessen werde ich den Tag, an welchem das numinose Unheil in mein Propheten-Leben
einbrach; das Unheil, das, wie ich heute weiß, von jeher mich für sich beanspruchte.
Es war ein Tag im Spätfrühling, der Himmel sonnte sich in seiner ein wenig banalen
Heiterkeit; da plötzlich sah ich vor der schönen Kathedrale meines Dorfes, oder
meines Städtchens, sah ich, da sah ich, mein Herr, inmitten des Himmels das
große violette Kamel schweben, und auf diesem einen Mann kauern in gewiß edlem,
aber zu auffälligem, allzu auffälligem Gewand, Er war in einen großen güldenen
Mantel gehüllt, der mit mächtigen Edelsteinen geziert war -grün und bläulich
und türkis - und hielt auf dem Haupt einen Adler von imperialem Anspruch. Das
Kamel, mein Herr, schwamm sozusagen, indem es seine mageren und langen Beine
bewegte, ein abnormes Ungeheuer, nicht weniger als vier Meter hoch! Ich wollte
in einen erschreckten Staunensruf ausbrechen, als mir ein anderes Wunder die
Stimme verschlug. Kein einziger Mensch auf dem bevölkerten Platz schien diese
Erscheinung wahrzunehmen. Die Schwalben, sogar die Schwalben durchschossen mit
ihrem kindlichen Flug das violette Kamel und den prunkvollen Reiter. Eine Halluzination
also! Ich war nüchtern, ordentlich, allen Leidenschaften abhold, außer der maßvollen
Liebe für die Klassiker. Wurde ich vielleicht ein Opfer des Wahnsinns? Ich eilte
einem Freund nach, näherte mich ihm anstandsvoll und richtete das Wort an ihn;
gelassen antwortete er mir, ungerührt von meinem Benehmen; als ich mich verabschiedete,
war das Kamel verschwunden und ein wenig Violett fleckte den Himmel, das sich
im nahenden Abend immer mehr entfärbte. Ich entfernte mich, innerlich zerrissen
von angsterfüllten Fragen. Am Abend war ich nicht fähig, meinen gewohnten Studien
nachzugehen. Und in jener Nacht sah ich, während ich ruhelos durch die schlafende
Stadt streifte, am Himmel wiederum das violette Kamel: ein riesenhafter, kugelförmiger
Süberelephant hielt es, tot, abgewürgt, in seinem Rüssel. -
Giorgio Manganelli, Omegabet. Frankfurt
am Main 1988 (zuerst 1969)
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