altblütigkeit    »Für meinen Geschmack ist Holmes einfach etwas zu wissenschaftlich — geradezu kaltblütig. Ich könnte mir vorstellen, daß er seinem Freund eine winzige Dosis vom neuesten Pflanzenalkaloid unters Essen mischt, nur um die Wirkung zu erproben. Aber genauso — das muß der Gerechtigkeit halber ausgesprochen werden — würde er in seinem Forschungsdrang auch das Zeug selber hinunterschlucken. Offenbar geht er mit wahrer Leidenschaft allen Dingen, mit denen er sich befaßt, auf den Grund.«

 »Das ist sein gutes Recht.«

»Gewiß, aber man kann es auch übertreiben. Wenn einer beispielsweise die Leichen im Seziersaal mit einem Stock schlägt, so mutet das doch ein bißchen eigentümlich an.«

»Was, er schlägt Leichen?«

»Ja, um festzustellen, was für Spuren davon auf der toten Haut zurückbleiben.« - Sir Arthur Conan Doyle, Studie in Scharlachrot. Berlin u.a. 1968

Kaltblütigkeit (2) Lord Marlborough stand mit einem Freunde und einem seiner Neffen im Laufgraben, als plötzlich eine Kanonenkugel dem Freunde den Schädel zerschmetterte, so daß dem jungen Mann das Gehirn des Toten ins Gesicht spritzte. Er wich schaudernd zurück, aber Marlborough sagte kaltblütig: »Nun, du scheinst verwundert?« - »Ja«, erwiderte er, und wischte sich das Gesicht ab, »ich wundere mich, daß ein Mann von so viel Gehirn willkürlich einer so sinnlosen Gefahr ausgesetzt wurde.«  - (cham)

Kaltblütigkeit (3) »Weder lieben, noch hassen« enthält die Hälfte aller Weltklugheit: »nichts sagen und nichts glauben« die andere Hälfte. Freilich aber wird man einer Welt, welche Regeln, wie diese und die nächstfolgende nöthig macht, gern den Rücken kehren.

Zorn oder Haß in Worten, oder Mienen blicken zu lassen ist unnütz, ist gefährlich, ist unklug, ist lächerlich, ist gemein. Man darf also Zorn, oder Haß, nie anders zeigen, als in Thaten. Letzteres wird man um so vollkommener können, als man Ersteres vollkommener vermieden hat. - Die kaltblütigen Thiere allein sind die giftigen.  - (schop)

Kaltblütigkeit (4) Nun gut, es war ein neuer Haushalt, der sich schlecht und recht einspielte, bis plötzlich die Eigentliche unverhofft erschien. Eines Nachts hielt gegen drei Uhr eine Kutsche vor dem Hause, und jemand rief: »Léautaud!« indem er an der Pforte rüttelte. Es war die Heroine, die sich wieder einfand, da das Engagement sie enttäuscht hatte. Natürlich mußten wir ihr öffnen, und man kann sich die Überraschung denken, die sie im ehelichen Schlafzimmer beim Anblick ihrer Stellvertreterin empfand.

Immerhin verlief es besser als gedacht — zunächst mit Schreien von beiden Seiten, dann mit Tränen, natürlich auch mit ausgesuchten Spitzen, so tobte das durch einige Tage fort. Außer mir, der sich um das Gestürm nicht kümmerte, behielt nur mein Vater kaltes Blut. Als einer, der die Frauen kannte, begnügte er sich damit, das Rattengift und den Revolver einzuschließen, und zerlegte sein Jagdgewehr. Dann konnte nichts ihn mehr beunruhigen.

Angesichts der beiden Odalisken, die sich mit schrägen Blicken musterten und von denen jede ihn beschwor, die andere vor die Tür zu setzen, war sein Entschluß schnell gefaßt. Die alte hatte die Priorität, er konnte sie nicht über Nacht abhalftern. Und die Ersatzfrau hatte er schließlich selbst ins Haus gebracht. So zog er vor, sie einfach beide zu behalten, auf gut Glück, wie sie gekommen waren.   - Paul Léautaud, In memoriam. Übs. Ernst Jünger. Stuttgart, Zürich 1980 (zuerst 1905)

 

Kaltes Blut Kälte

 

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