allotomie Wie ich sehe, wird die Sache, je mehr ich sie zu erklären versuche, desto unklarer. Also werde ich vom Anfang an beginnen. Allerdings weiß ich nicht, wie dieser Anfang war, die Erinnerung an ihn steckt vorwiegend in meiner rechten Hirnhälfte, und da mir jetzt der Zugang zu ihr abgeschnitten ist, kann ich meine Gedanken nicht recht sammeln. Ich schließe das aus der Tatsache, daß ich mich an eine Menge Dinge nicht erinnern kann, und um nur einiges über sie zu erfahren, muß ich meiner rechten Hand mit der linken solche Zeichen geben, wie sie in der Taubstummensprache gebräuchlich sind, aber nicht immer will sie mir antworten. Zum Beispiel macht sie das Zeichen für »ätsch, ätsch«, und das ist noch die höflichste Form, in der sie mir zu verstehen gibt, daß sie nicht einverstanden ist.
Man kann kaum von mir erwarten, daß ich durch Gebärden einer Hand die andere
nicht nur ins Gebet nehme, sondern sie auch, um ihren Widerstand zu brechen,
verhaue. Ich sage es offen und unverblümt: Vielleicht würde ich meiner eigenen
Extremität einen tüchtigen Stoß verpassen, aber die Sache ist die, daß nur meine
rechte Hand stärker ist als die linke. Die Füße sind in dieser Beziehung gleich
und, was noch schlimmer ist, auf der kleinen Zehe des rechten Fußes habe ich
seit langem ein Hühnerauge, was dem linken nicht verborgen blieb. Als damals
im Autobus dieser Skandal passierte und ich die linke Hand mit Gewalt in die
Tasche preßte, trat mir ihr Fuß aus Rache so fest auf das Hühnerauge,
daß es mir vor den Augen flimmerte. Ich weiß nicht, ist das vielleicht eine
Folge der durch meine Halbheit bedingten reduzierten Intelligenz, aber ich sehe,
daß ich dummes Zeug schreibe. Der Fuß der linken Hand ist einfach der linke
Fuß; es gibt Momente, da mein unglückseliger Körper in zwei feindliche Lager
zerfällt. -
Stanislaw Lem, Die Verdopplung. In: Phantastische Träume. Hg. Franz
Rottensteiner. Frankfurt am Main 1983 (Phantastische Bibliothek 100)
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