K

ainsmal  Auf die Leute, die mir begegneten, muß ich den Eindruck eines Verstörten, eines ganz plötzlich aus seiner Bahn Gerissenen gemacht haben, als ich an diesem Abend erregt, ohne Hut und mit einer frischen Rißwunde auf der Stirn durch die hellerleuchteten Straßen nach Hause ging. Wann und wo ich mir diese Verletzung zugezogen habe, das ist mir niemals völlig klargeworden. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß ich drüben im Pavillon, als ich für ein paar Sekunden das Bewußtsein verlor - es war nur ein leichter Schwächeanfall, und er ging rasch vorüber -, daß ich da mit der Stirn auf irgendeinen harten Gegenstand aufgeschlagen bin, auf eine Stuhllehne oder auf die Kante des Schreibtisches. Ich erinnere mich genau, daß ich kurz nachher einen stechenden und bohrenden Schmerz oberhalb des rechten Auges verspürt hatte, doch hatte ich nicht weiter darauf geachtet, er war auch bald vergangen. Als ich auf die Straße trat, wußte ich noch immer nichts von dieser Verletzung, und die verwunderten Blicke, die die Leute mir zuwarfen, erweckten eine sonderbare Vorstellung in mir.
Es war mir, als wüßte schon die ganze Stadt, was sich soeben in der Villa Bischoff zugetragen hatte. Die ganze Stadt nahm Anteil an dem Ereignis, die ganze Stadt kannte mich und sah in mir den Mörder.

«Ist es möglich, daß man dich noch nicht verhaftet hat?» fragte der erstaunte Blick eines Studenten, der aus dem Nachtkaffeehaus auf die Straße trat.  - Leo Perutz, Der Meister des Jüngsten Tages. Reinbek bei Hamburg 1990 (zuerst 1925)     

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