änguruh    Im Nu hatte der Richter seine Unterlagen zusammengeklappt. Abrupt stand er auf.

»Genug«, sagte er rasch. »Donovan, bringen Sie das singende Känguruh herein. Schauen wir's uns doch mal gemeinsam an. Vielleicht wird es uns gelingen, uns auf einen Namen zu einigen.«

»So ein giftiger Richter ist er gar nicht«, murmelte Hebe, an Sandra gewandt.

»Ganz und gar nicht«, sagte Sandra »Ein ziemlich humanes Wesen.«

»Wartet erst mal ab, was er im Schilde fuhrt«, flüsterte Melville Long hinter vorgehaltener Hand. Sein Optimismus war dahin.

Gänzlich nüchtern war das Känguruh nicht, als Donovan, mit einem Seil in der Hand, dessen anderes Ende um den Hals des Tieres gelegt war, dieses vor den Richter führte. Das Känguruh bedeckte den Boden mit einer sonderbar gleitenden Bewegung, die den Eindruck vermittelte, als liefe es Schlittschuh. Es summte immer noch gedankenverloren vor sich hin, begrüßte seine Freunde mit lässigem Winken eines relativ kurzen Vorderbeins und verneigte sich dann vor dem Richter. An diesem Punkt kam wieder Leben in mehrere verschlafene Reporter, und sie fingen an, einander Fragen zu stellen. Hier hatten sie es mit einer guten Story zu tun. Sie stoppten einen Gerichtsdiener und erlangten volle Details. Die wenigen verbliebenen Zuschauer zeigten ebenfalls Zeichen wiederkehrenden Interesses. Der Richter lehnte sich vor und hörte aufmerksam zu, eine Hand Ruhe gebietend erhoben. Ein seltsames Geräusch kam über die Lippen des Känguruhs. Es nahm die angestrengte Haltung des Richters wahr und erhöhte, dem entgegenkommend, die Lautstärke seines Summens, und der Gerichtssaal war von dem erfüllt, was das Känguruh törichterweise für ein Lied hielt.

»Sie haben em besseres Ohr für Musik, als ich es habe, Donovan«, sagte der Richter und setzte sich auf seinen Stuhl zuruck. »Müht er sich immer noch mit seinem Lieblingslied?«

 »Wenigstens denkt er, daß er's tut«, antwortete der Polizist.  »'s ist gar nich so schlecht, Euer Ehren, wenn man bedenkt, was für eine arme, dumme, seelenlose Bestie es ist.«

Mr. Lamb blickte Donovan nachdenklich an.

 »Wo ist seine Trommel?« fragte der Richter mit einemmal.

»Er weigerte sich, seine Zelle zu verlassen, bevor ich sie ihm nicht abgemacht hatte«, erwiderte Donovan.

 »Zu schade«, bemerkte der Richter. »Das hätte ich zu gern gesehen « Dann fragte er, an Hebe gewandt: »Miss Lamb, woher haben Sie dies singende Känguruh?«

 »Mein Onkel fand es im Busch«, sagte Hebe.

»Was für ein Busch?« fragte der Richter. »Versuchen Sie, sich deutlich auszudrücken. «

»Im australischen Busch«, entgegnete Hebe. »Es gehört zu unserer Familie, seit es noch ganz klein war. «

Der Richter fuhr fort, das Mädchen über das Känguruh zu befragen, bis Mr. Lamb sich zu langweilen begann. Auch wurde er äußerst müde. Der Alkohol verlor seine Wirkung. Langsam sank er nieder und fiel in sanften Schlummer. Der Richter blickte über seine Schreibtischkante.

»Donovan«, ordnete er an, »weck das Känguruh auf . Weder Mensch noch Tier schlafen in diesem Gericht. «

Ein heftiges Zerren an der Schlinge brachte das Känguruh wie eine Sprungfeder in aufrechte Haltung. Lamb holte aus zu einem seitlichen Schlag auf Donovan, konnte ihn aber, zum Glück für den Beamten, nicht landen. Dann blickte er so, als realisiere er plotzlich seine Umgebung, den Richter entschuldigend an. Ein merkwürdiges Gefühl bemächtigte sich Mr. Lamb, ein Gefühl, das nicht gänzlich auf den ausschweifenden Abend zurückzuführen war. Irgendeine chemische Revolution fand in seinem Innern statt. Es war ihm unmöglich, seine Schläfrigkeit und Verwirrung abzuschütteln. Und indem er erneut in Morpheus' Armen entschwand, bekam er verschwommen mit, wie der Richter Donovan fragte, ob die seelenlose Bestie am Morgen eine Tasse Kaffee erhalten habe. - (lam)

 

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