ämpferblut Als ich Donnerkeil Mulrooney sehe, bin ich meinerseits irgendwie enttäuscht, besonders nachdem ich herausfinde, daß sein Vorname eigentlich Raymond und keinesfalls Donnerkeil ist, denn ich erwarte einen riesigen, ungestümen Kerl mit roten Haaren und dem Brustumfang einer Tonne, so wie ihn Shamus Mulrooney in seiner Blütezeit hat. Doch was ich erblicke, ist bloß ein hochaufgewachsener, blasser Junge mit blondem Haar und Storchbeinen.
Ferner hat er hellblaue Augen, die einen in die Ferne schweifenden Blick haben, und dann spricht er mit einer leisen Stimme, die überhaupt keine Ähnlichkeit mit der Stimme von Shamus Mulrooney hat. Aber Spinne McCoy scheint mit Donnerkeil zufrieden zu sein, und als ich ihm sage, daß Donnerkeil mir nicht gerade wie der nächste Weltmeister im Schwergewicht aussieht, da redet Spinne McCoy wie folgt:
«Wieso denn?» sagt er. «Der Junge ist doch fast noch ein Baby und braucht Zeit, um Gewicht anzusetzen. Vielleicht wird er eines Tages sogar größer als der Herr Papa sein. Aber weißt du was», sagt Spinne McCoy mit sichtlicher Entrüstung, «das schönste ist, Bridget Mulrooney will den Jungen durchaus nicht den nächsten Weltmeister im Schwergewicht werden lassen, genauer gesagt», sagt Spinne McCoy, «sie macht einen Mordskrawall, als ich ihn holen komme, und Shamus muß erst ein Machtwort sprechen. Shamus meint, er weiß nicht, ob ich aus dem Jungen jemals einen Kämpfer machen kann, denn Bridget verhätschelt ihn so, daß er am Ende bloß noch ein Wollkopf ist, und Shamus sagt, ihm wird richtig übel davon, den Jungen immer im Haus herumsitzen zu sehen und nichts anderes tun als immerzu zu lesen und Zither zu spielen.»
«Spielt er auch jetzt noch Zither?» frage ich Spinne McCoy.
«Nein», sagt Spinne McCoy daraufhin, «bei mir wird keine Zither gespielt.
Meiner Meinung nach macht das einen Boxer zu weich. Der Junge spielt im Augenblick
überhaupt nichts. Erscheint immerzu bloß in die Luft zu starren, aber das Ganze
ist natürlich für ihn neu. Keine Sorge, er wird sich schon machen», sagt Spinne
McCoy, «denn an der richtigen Abstammung fehlt es ihm wirklich nicht. Wie ich
von Shamus höre, sind die Mulrooneys schon in der alten Heimat prima Kämpfer»,
sagt Spinne McCoy, «und Shamus erzählt mir auch, wie Bridgets Mutter einmal
in Newark vier Blaue verdrischt, die sie davon abhalten wollen, ihrem Alten
eine Tracht zu versetzen, und daraus», sagt Spinne McCoy, «geht klar hervor,
daß der Junge vor lauter Kämpferblut förmlich überkocht.» - Damon Runyon, Stories vom
Broadway. Reinbek bei Hamburg 1963 (rororo 566, zuerst ca. 1935)
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