Ich war seit Monaten oft genug Zeuge einer derartigen Vorstellung gewesen, und doch konnte ich mich noch nicht daran gewöhnen. Im Gegenteil, immer mehr sträubte sich alles in mir gegen diesen Anblick, und nachts warf ich mir vor, daß es mir an Mut zu nachdrücklichem Protest fehle. Wieder und wieder hatte ich mir gelobt, meinem Freund über diese Angelegenheit gründlich die Meinung zu sagen; doch hinter seinem kühlen, nonchalanten Wesen spürte man mehr als bei jedem anderen Menschen eine Kraft, die es einem verbot, sich eine Freiheit herauszunehmen. Sein scharfer Verstand, seine Herrenmanier und dazu die zahlreichen Erlebnisse, die mir gezeigt hatten, wie vielseitig seine Fähigkeiten waren: Dies alles ließ mich zögern und vor dem entscheidenden Schritt zurückschrecken. Es war nicht gut, ihm in die Quere zu kommen.
Ob es nun an dem Wein lag, den ich zum Lunch getrunken, oder ob mich die übertriebene Gelassenheit, mit der er sich gab, besonders reizte, kurzum, an diesem Nachmittag hielt ich es nicht länger aus, schweigend zuzusehen.
»Was ist es denn heute«, knurrte ich, »Morphium oder Kokain?«
Er hob träge die Augen von dem alten Buch mit der Frakturschrift, das er geöffnet hatte.
»Kokain«, erklärte er, »eine siebenprozentige Lösung. Willst du sie einmal
probieren?« - Sir Arthur Conan Doyle, Im Zeichen der Vier. Berlin
u.a. 1972 (Ullstein-Tb. 2744)
Junkie (2) Einige meiner gelehrten Kollegen
(alles namenlose Arschlöcher) haben die Ansicht geäußert, Junk habe nur deshalb
eine euphorische Wirkung, weil er direkt das Orgasmus-Zentrum
stimuliere. Viel wahrscheinlicher ist, daß Junk den ganzen Zyklus von Spannung,
Entladung und Ruhe außer Kraft setzt. Ein Junkie erlebt keinen Orgasmus.
Er braucht auch keinen. Und Langeweile, die immer die
verhinderte Entladung einer Spannung signalisiert, kennt der Süchtige schon
gar nicht. Er kann acht Stunden lang seine Schuhspitze anstarren. - (
lun
)
Junkie (3)
Junkie (4) Ich hauste in einem Zimmer im Eingeborenenviertel von Tanger. Seit einem Jahr hatte ich nicht mehr gebadet oder die Kleider gewechselt, nur alle Stunde mal kurz Hemd oder Hose ausgezogen, um mir eine Nadel in das Fleisch zu bohren, das im Endstadium der Sucht faserig und grau und hölzern geworden war. Ich wischte nie auf und kehrte auch nicht den Dreck zusammen. Leere Ampullenschachteln und Abfälle türmten sich bis an die Decke. Strom und Wasser waren längst abgestellt, weil ich die Rechnungen nicht mehr bezahlte. Ich tat absolut nichts. Ich konnte acht Stunden lang meine Schuhspitze anstarren. Ich rührte mich nur vom Fleck, wenn meine Junk-Uhr ablief.
Wenn mich ein Freund besuchte—was selten vorkam, denn wen oder was gab es
da noch zu besuchen—, dann saß ich da, und es berührte mich nicht, daß er in
meinem Gesichtsfeld aufgetaucht war {ein grauer Bildschirm, der immer schwächer
und leerer wurde), und es berührte mich auch nicht, wenn er wieder daraus verschwand.
Wenn er vor meinen Augen tot umgefallen wäre, hätte ich weiter meine Schuhspitze
angestarrt und ihm schließlich die Taschen gefilzt. Ihr etwa nicht? -
(jun)
Junkie (5) A
junkie is like a setting sun. - Neil Young
Junkie (6) Setze mir in Gegenwart von D. L. einen Schuß.
Stochere in meinem nackten verdreckten Fuß nach einer Vene... Junkies kennen
kein Schamgefühl... die angewiderte Reaktion von anderen läßt sie völlig kalt...
Es ist fraglich, ob so etwas wie Schamgefühl überhaupt
zustande kommen kann, wenn die Libido außer Funktion ist... Mit seinem nichtsexuellen
Bedürfnis nach Geselligkeit, das aus der gleichen
Ecke gesteuert wird wie die Libido, verliert der Junkie auch sein Schamgefühl...
Er sieht seinen Körper ganz nüchtern als einen Behälter, der das Medium speichert,
von dem er lebt, und sein Gewebe prüft er mit den kalten Fingern eines Pferdehändlers
auf seine Verwendbarkeit ... »Hat keinen Zweck, wenn ich mir hier was reinhaue«.
Flüchtig gleitet der Blick seiner toten Fischaugen. über eine zerstochene Vene.
-
(jun)
Junkie (7) Ich habe die Qualen des Entzugs
durchgemacht und die grenzenlose Erleichterung verspürt, wenn sich die halbverdursteten
Zellen an der Spritze auftankten. Vielleicht läuft darauf das ganze Lustprinzip
hinaus: die Linderung irgendeines Durstes. Ich habe mir unter der Einwirkung
von Junk den stoischen Gleichmut eines Einzellers zugelegt. Ich habe eine
ganze Gefängniszelle voll Junkies im Entzug gesehen, schweigend und regungslos,
jeder allein mit seinem Elend. Sie wußten, daß jede Klage und jede Bewegung
sinnlos war. Sie wußten, daß letzten Endes keiner dem anderen helfen kann. Keiner
hat den Schlüssel, keiner weiß ein Geheimnis, das er dir verraten kann. -
William S. Burroughs, Vorwort zu
(jun)
Junkie (8)
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