unggeselle  Das Unglück des Junggesellen ist für die Umwelt, ob scheinbar oder wirklich, so leicht zu erraten, daß er jedenfalls, wenn er aus Freude am Geheimnis Junggeselle geworden ist, seinen Entschluß verfluchen wird. Er geht zwar umher mit zugeknöpftem Rock, die Hände in den hohen Rocktaschen, die Ellbogen spitz, den Hut tief im Gesicht, ein falsches, schon eingeborenes Lächeln soll den Mund schützen, wie der Zwicker die Augen, die Hosen sind schmäler, als es an magern Beinen schön ist. Aber jeder weiß, wie es um ihn steht, kann ihm aufzählen, was er leidet. Kuhle weht ihn aus seinem Innern an, in das er mit der noch traurigen andern Hälfte seines Doppelgesichts hineinschaut. Er übersiedelt förmlich unaufhörlich, aber mit erwartender Gesetzmäßigkeit. Je weiter er von den Lebenden wegrückt, für die er doch, und das ist der ärgste Spott, arbeiten muß wie ein bewußter Sklave, der sein Bewußtsein nicht äußern darf, ein desto kleinerer Raum wird für ihn als genügend befunden. Während die andern, und seien sie ihr Leben lang auf dem Krankenbett gelegen, dennoch vom Tode niedergeschlagen werden müssen, denn wenn sie auch aus eigener Schwäche langst selbst gefallen waren, so halten sie sich doch an ihre liebenden starken gesunden Bluts- und Eheverwandten, er, dieser Junggeselle bescheidet sich aus scheinbar eigenem Willen schon mitten im Leben auf einen immer kleineren Raum, und stirbt er, ist ihm der Sarg gerade recht. - Franz Kafka, Tagebücher (3. Dezember 1911) Frankfurt am Main 1967

Junggesellen (2)   Alles Egoisten und Wüstlinge, gehen mit ihren Dienstmädchen ins Bett. Man wettere dagegen. - Müßten eine Extrasteuer zahlen. - »Was für ein trauriges Leben die mal haben werden!«  - (fla)

Junggeselle (3)

Lampe auf den verlassenen Papieren,
und ringsum Nacht bis weit hinein ins Höh
der Schränke. Und er konnte sich verlieren
an sein Geschlecht, das nun mit ihm zerschmolz;
ihm schien, je mehr er las, er hätte ihren,
sie aber hatten alle seinen Stolz.
Hochmütig steiften sich die leeren Stühle
die Wand entlang, und lauter Selbstgefühle
machten,sich schläfernd in den Möbeln breit;
von oben goß sich Nacht auf die Pendüle
und zitternd rann aus ihrer goldnen Mühle
ganz fein gemahlen, seine Zeit.
Er nahm sie nicht. Um fiebernd unter jenen,
als zöge er die Laken ihrer Leiber,
andre Zeiten wegzuzerrn.
Bis er ins Flüstern kam; (was war ihm fern?)
Er lobte einen dieser Briefeschreiber,
als sei der Brief an ihn: wie du mich kennst;
und klopfte lustig auf die Seitenlehnen.
Der Spiegel aber, innen unbegrenzter,
ließ leise einen Vorhang aus, ein Fenster -:
denn dorten stand, fast fertig, das Gespenst.

- Rainer Maria Rilke

Junggeselle (4)  Mein alter Freund Driessen, ein Junggeselle, bekam 1926 eine Haushälterin, eine bäuerliche, ältere, etwas bucklige Frau, mit deren Ankunft in dem stattlichen, geräumigen Haus, dem geordneten Gelehrtenheim, ein seltsames Getümmel entstand. Polterade Schritte, treppauf, treppab, Malereien hoch oben hart unter der Decke, immer wieder, und große Buchstaben, Inschrift innerhalb verschlossenen Schrankes, zu dem allein der alte Herr den Schlüssel hatte, Zusatzmalereien an Wandbildern, die fest unter Glas (!) und Rahmen waren, Lichterscheinungen bei Nacht, Klopfen bei Tag und vieles andere.

Ich wurde als Arzt und Interessent gerufen, kam, sah und prüfte. Die alte Frau Krause war eben ein Medium, und nun — was ich heute nicht mehr übe — setzten wir beide uns mit der Alten still (bei hellem Lichte) hin. Sie geriet in Trance. Und sie brachte in den zwei bis drei Wochen unserer Sitzungen Phänomene, an denen der forschende alte Jurist wie der Arzt mehr lernte als an vielen, vielen Büchern und Schriften, die wohl Dinge berichten, die als Sensation aufgefaßt werden, aber selten — bei gutem Willen — als Brücken und Fingerzeige dem Strebenden zum Aufklären gewisser unverstandener Texte der Heiligen Schriften alter und neuer Welt dienen.

Ich mag nicht länger auf Einzelheiten eingehen. Für schon Erfahrene nur dies: Die animistische Hypothese mancher dieser Erscheinungen ist sicherlich des öfteren zutreffend, die spiritistische aber mindestens ebenso. Die spiritistische gilt mehr bei spontanen Erscheinungen, die animistische mehr bei Sitzungen mit Medien. Genug davon, der guten Frau Krause mußte leider gekündigt werden, da die Nachtunruhen (Lichter und Geräusche) den Schlaf des Hausherrn allzusehr störten (obschon der alte Weise keine Angst hatte) und das Dienstmädchen kündigen wollte. Die arme Frau Krause hatte schon manche Kündigung hinter sich. Nun aber noch etwas Merkwürdiges: Klopfen und Unruhe blieb, wenn auch nicht im alten Grade. Der Exorzismus zweier Geistlicher, eines katholischen, dann eines evangelischen (Freund Driessen war Katholik) half nichts. Ich gab ihm den Rat, die Planchette* zu vernichten und unsere Protokolle zu entfernen (letztere in meine Wohnung). Er tat das, und es ward Ruhe im Haus. - Otto Buchinger: Vom Marinearzt zum Fastenarzt. Metamorphosen eines Wandernden.  Freiburg i. Br. 1955

* Buchstabenbrett der mediumistischen Kundgebungen

Junggeselle (5)  Die Emanglonen dulden Junggesellen nicht. Keine zwei Wochen lassen sie einen allein. Nein, man muß sich sofort entschließen, eine Frau zu nehmen. »Denn«, sagen sie, »einem Junggesellen ist immer zu mißtrauen. Eines Tages tötet, vergewaltigt er ein Mädchen, dem das großen Schaden zufügt, will eine neue Religion stiften, wird übermäßig ehrenhaft und logisch, und es wird keinen Spaß mehr machen, mit ihm zusammen zu leben.« Die Nachbarn fühlen sich belästigt, genieren sich, mit ihren Frauen die natürlichsten Stellungen einzunchmen. Kurz, es wird unhaltbar. Also gehen sie zu dritt oder viert hinaus, lauern dem keuschen Mann auf und erschlagen ihn kaltblütig und vielleicht sogar haßerfüllt.

Denn in ihrer Männlichkeit getroffene Männer werden leicht von Raserei gepackt.    - (mich2)

Junggeselle (5)  SCHNOFERL:  Mein Räsonnieren übern Ehstand is etwas fabelhaft, denn es hat sehr viel Fuchs- und Weinbeerartiges an sich. Meine Junggesellenschaft ist nicht als staubige Distl auf der  rohen Busta des Weiberhasses emporgeschossen, o nein, sie ist als düsteres Efeu dem Garten der Liebe entkeimt; für mich war die Liebe kein buntes Gemälde in heiterer Farbenpracht, sondern eine in der Druckerei des Schicksals verpatzte Lithographie, grau in grau, schwarz in schwarz, dunkel in schmutzig verwischt. Die pragmatische Geschichte meines Herzens zerfällt in drei miserable Kapitl, zwecklose Träumereien, abbrennte Versuche, und wertlose Triumphe. Wenn der Mensch nie diejenige erringt, wo er eigentlich - wo es der Müh' wert, wo - ich kann mich nicht ausdrücken, mag mich eigentlich nicht ausdrücken - wenn der Mensch kein Baumkraxler  genug war,  um  die  wahren  süßen Früchte am Lebensbaum zu erreichen, wenn - ich find' nicht die gehörigen Worte, das heißt, ich findet s', aber, grad die g'hörigen täten sich nicht g'hören - mit einem Wort, der Mensch verfallt nach einigen Desperations-Paroxysmen in eine ruhige Sarkasmus-Languissance, wo man über alles räsonniert, und anderseits wieder alles acceptable find't.  - Johann Nestroy, Das Mädel aus der Vorstadt,  In: J. N., Werke, Hg. O. M. Fontana. Darmstadt 1968 (zuerst 1841)

 

Mann

 

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