ungbrunnen  An einem herrlichen, lauen Sommerabend feiern der sechzigjährige Bonvivant Rex Pebble und seine langjährige Geliebte, die nur wenig jüngere, aber sehr viel rundlichere Spray Summers — übrigens mit allen guten Wünschen von Mrs. Sue Pebble — die fünfundzwanzigjährige Wiederkehr ihres Kennenlernens. Spray bewohnt ein von Rex eingerichtetes hübsches Haus mit großem Garten und einem tiefen Teich, in dessen Mitte die lebensgroße Figur einer Najade steht, die Rex wegen ihres verschmitzten Ausdrucks »Racker« (engl. » Baggage«) nennt.

Weitere Bewohner des Hauses sind der telefonsüchtige japanische Butler / Koch Nockashima, die niedliche Zofe Fifi und der gutmütige und bequeme Bluthund Mr. Henry, der aber leider schon seit Jahren seinen Geruchssinn verloren hat.

Racker ist schon lange Jahre in Rex verliebt, steigt darum von ihrem Podest und macht ihm deutliche Anträge, die aber der ältere Herr zu seinem Bedauern nicht annehmen kann. Angeregt durch dieses Erlebnis, verleitet Rex Spray zu einem Bad im Teich. Als sie erfrischt dem Wasser entsteigen, stellt sich eine wundersame Verjüngung ein. Die beiden haben wieder das Äußere und den Elan von Zwanzigjährigen. Noch bevor sie diese Eigenschaften jedoch nutzen können, taucht ein älterer Herr auf...

›Der Jungbrunnen‹ ist die turbulente Geschichte einer einzigen, phantastischen Nacht — Thorne Smiths Sommernachtstraum.

Aber was sich alles in dieser Nacht ereignet und was für Energien eine Najade, drei Menschen und ein Hund, die in einem Jungbrunnen baden, entfesseln können, das ist in der Tat unglaublich. Von den aberwitzigen Abenteuern der Beteiligten abgesehen, kommt auch die Erotik nicht zu kurz, und daß es an frivolem Wortgeplänkel nicht fehlt, braucht kaum erwähnt zu werden. Ungewöhnlich ist jedoch die Einbeziehung einer kompletten Feuerwehrbrigade in die festlichen Ereignisse, ebenso die große Verwirrung stiftende Rundfahrt mit dem Spritzenwagen.

Die Hauptpersonen

Rex Pebble  

ein älterer, wohlhabender, allem Schönen der Welt aufgeschlossener Herr, der nach einem Bad im Gartenteich eine in jeder Hinsicht überraschende Verwandlung erlebt

Sue Pebble

seine langjährige Ehefrau, die es kaum erwarten kann, das gleiche Bad zu nehmen

Kippie Pebble

Rex Pebbles Neffe, der seine Tante nicht wiedererkennt, was zu Schwierigkeiten führt

Spray Summers

Rex Pebbles ebenfalls langjährige Geliebte, eine reife Blondine, die nach dem Bad im Teich nicht nur ihre Hühneraugen total vergißt

Racker

eine schalkhafte Nymphe

Nockashima

Sprays japanischer Hausdiener, die Treue und Diskretion in Person

Fifi

Sprays französische Zofe, die so ist, wie Amerikaner sich französische Zofen vorstellen

Mr. Henry

der gutmütigste aller Bluthunde, der leider seinen Geruchssinn verloren hat

Major Lynnhaven Jaffey

ein bejahrter Hochstapler, der stets darauf bedacht ist, allen Leuten seine alte und seltene Kostbarkeit vorzuführen

Hal

ein Prachtstück von einem Feuerwehrmann und alles andere als ein Spielverderber

Joe und Elmer

zwei sehr verhinderte Einbrecher

Alma das Medium

eine Wahrsagerin

 

 

 - Waschzettel zu: Thorne Smith, Der Jungbrunnen. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1837)

Jungbrunnen (2)

                           Medea, das Haar nach der Bacchen
Weise gelöst, umschreitet den Brand der Altäre, die Fackel
taucht, sie, die spänige, ein in das schwarze Blut in den Gruben
und entzündet sie dann an den Flammen beider Altäre.
Dreimal weiht sie den Greis mit Feuer, dreimal mit Wasser,
dreimal mit Schwefel. Im Kessel dampft indessen der starke
Zauber und wallt und färbt sich weiß im brodelnden Schaume.
Drinnen siedet sie nun die Wurzeln, die sie im Tale
Tempe geschnitten, die Samen, die Blüten, die ätzenden Säfte,
wirft im äußersten Osten gesuchte Steine hinein und
Sand, den Oceanusfluten im Rückwärtsebben gewaschen,
gibt den Reif noch hinzu, der gesammelt im Scheine des Vollmonds,
weiter die Flügel sowie das Fleisch des unholden Uhus,
dann das Geweid eines zwiegestalteten Wolfs, der sein tierisch
Aussehn mit dem eines Mannes zu wechseln vermocht, und da fehlten
nicht die dünne, schuppige Haut des libyschen Giftwurms,
nicht die Leber des lebigen Hirschs; zu alledem fügt sie
Schnabel und Haupt einer Krähe, die neun Jahrhunderte schaute.
Als die Barbarin mit diesen und ungenannten unzählgen
anderen Dingen gedient ihrem übermenschlichen Vorsatz,
rührt sie alles um mit dem längst vertrockneten Zweig des
milden Ölbaums und läßt, was zuhöchst, was zutiefst, sich vermengen.
Und das alte Holz, bewegt in der Hitze des Kessels,
siehe' ergrünt zunächst, es hüllt sich in Blätter in kurzer
Frist und plötzlich trägt es die Last der reifen Oliven.
Aber, wohin das Feuer geworfen den Schaum aus des Kessels
Höhlung, und wo auf die Erde die warmen Tropfen gefallen,
frühlingt der Boden und Blumen und schwellender Rasen ersprießen.

Als Medea es sah, durchschnitt sie sogleich mit gezücktem
Schwerte die Kehle dem Greis, ließ aus dann fließen das alte
Blut und ersetzt's durch die Säfte. Als Aeson diese getrunken,
teils durch den Mund und teils durch die Wunde, verloren sein Haar, sein
Bart ihr Weiß und rafften die Schwärze der Jugend sich an, da  
floh die Dürre, verscheucht, verschwanden Bleiche und Welkheit,
füllten sich wieder, mit Fleisch sich ebnend, die Falten und Runzeln,
strotzten die Glieder von Kraft. Und Aeson staunt und entsinnt sich,
daß er vor vierzig Jahren ein solcher Jüngling gewesen.

 - (ov)

Jungbrunnen (3)  Frau Helga Götze aus Hamburg, eine einundfünfzigjährige, seit dreißig Jahren verheiratete Hausfrau und Mutter von sieben Kindern, befand sich vor drei Jahren mit ihrem Ehemann auf einer Reise durch Sizilien, als sie plötzlich von dem unwiderstehlichen Verlangen erfaßt wurde, nachts einen sizilianischen Herrn zu trösten, dessen Gattin in die Sommerfrische gefahren war und ihn melancholisch und einsam zurückgelassen hatte. Sie bat ihren Mann dazu um Erlaubnis. Herr Götze, den seine Frau als »tolerant und verständnisvoll« beschreibt, bewies mehr als Toleranz, denn er war nicht nur damit einverstanden, sondern gestand seiner Frau sogar einen zweiten Versuch zu, der ihr und dem sizilianischen Herrn noch besser gelang als der erste; danach überreichte er seiner Frau einen Blumenstrauß und dankte dem sizilianischen Herrn auf das herzlichste. Für Herrn und Frau Götze war es eine Revelation, eine Revolution, ein Wunder gewesen. Wie Herr Götze in seinen Dankesworten zum Ausdruck brachte, hatten die beiden Nächte mit dem Herrn aus Sizilien seiner Frau den Schmelz der Jugend zurückgegeben, und dasselbe empfand Frau Götze: Sie fühlte sich blendend, triumphal, frei und jung. »Sizilien hat eine Göttin aus mir gemacht«, sagte sie.

Von diesem Augenblick an war Frau Götze - mit Zustimmung ihres Mannes und ihrer sieben Kinder — nicht mehr zu halten: Sie umwarb Männer jeder Herkunft und jeden Alters, ja, sie gab sogar Inserate auf: »Hausfrau, verheiratet, sieben Kinder, sucht Begegnung von Körper, Geist und Seele«. - Leonardo Sciascia, Schwarz auf schwarz. München 1991 (dtv 11328, zuerst 1979)

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