ugend (schöne)
 

Der Mund eines Mädchens, das lange im Schilf gelegen hatte,
sah so angeknabbert aus.
Als man die Brust aufbrach, war die Speiseröhre so löcherig.
Schließlich in einer Laube unter dem Zwerchfell
fand man ein Nest von jungen Ratten.
Ein kleines Schwesterchen lag tot.
Die andern lebten von Leber und Niere,
tranken das kalte Blut und hatten
hier eine schöne Jugend verlebt.
Und schön und schnell kam auch ihr Tod:
Man warf sie allesamt ins Wasser.
Ach, wie die kleinen Schnauzen quietschten!

- (benn)

Jugend (2) Ich meinesteils glaube, daß unsere Seelen mit zwanzig Jahren entfaltet haben, was in ihnen sein wird, und daß sie alles verheißen, was sie vermögen werden. Nie hat eine Seele, die in diesem Alter noch kein offensichtliches Pfand ihrer Kräfte gab, später Beweise davon gegeben. Die natürlichen Anlagen und Begabungen bezeugen vor dieser Frist, oder niemals, was in ihnen an Schönheit und Kraft enthalten ist.

Unter allen großen menschlichen Taten, die zu meiner Kenntnis gekommen sind, von welcher Gattung auch immer, glaube ich den größeren Teil zu finden, wenn ich jene zähle, die sowohl im Altertum wie zu unserer Zeit vor dem dreißigsten Altersjahr verrichtet worden sind, als nachher; ja sogar oft im Leben eines und desselben Menschen. Kann ich es nicht mit aller Gewißheit vom Leben Hannibals sagen und von jenem Scipios, seines großen Widersachers? Die gute Hälfte ihres Lebens zehrten sie von dem Ruhm, den sie in ihrer Jugend erworben hatten: große Männer noch immer, nach dem Maßstab aller übrigen gemessen, aber keineswegs nach ihrem eigenen.

Was mich betrifft, halte ich es für gewiß, daß seit diesem Alter mein Geist sowohl wie mein Körper mehr ab- als zugenommen hat und mehr rückwärts als vorwärts gegangen ist. Es ist möglich, daß bei jenen Männern, die ihre Zeit gut nützen, das Wissen und die Erfahrung mit dem Alter wachsen; aber die Lebhaftigkeit, die Behendigkeit, die Entschlußkraft und andere Eigenschaften, die uns weit eigener, weit wichtiger und wesentlicher sind, welken dahin.  - (mon)

Jugend (3) Unter allen Göttinnen war Hera die Gattin, die bei dem Gatten nicht Mutterschaft, sondern Erfüllung suchte. Kinder konnte sie auch ohne Zeus, von sich selbst, gebären. So gebar sie aus Zorn den Typhaon von Delphi, als Zeus die Pallas Athene auf die Welt brachte; so den Hephaistos, und so vielleicht auch den Ares, wie man noch hören wird. Hephaistos und Ares waren ganz besonders die Söhne der Hera, selbst wenn sie zugleich auch als Söhne des Zeus galten. Außerdem wurde von zwei Töchtern der Hera erzählt, die sie dem Zeus gebar: von Hebe und Eileithyia. Die letztere war die Göttin, die den Frauen in ihren Wehen half. Wurde in den Geburtswehen eine andere Göttin angerufen, etwa Hera selbst oder Artemis, so waren sie in dieser Eigenschaft auch Eileithyiai. Hebe hingegen bedeutet die »Jugendblüte«. Sie war ein Abbild der Mutter in deren Eigenschaft als Hera Pais, »Hera, das Mädchen«. Der Held Herakles, der Sohn des Zeus und der sterblichen Königin Alkmene, der durch seinen Namen, »Ruhm der Hera«, und durch seine Leiden und Taten mit Hera am engsten verbunden war, erhielt zuletzt, zum Gott geworden, auf dem Olymp Hebe zur Frau. - (ker)

Jugend (4) Gargantua ward vom dritten bis zum fünften Jahr in aller gebührlichen Zucht gepflegt und auferzogen nach dem Willen seines Vaters, und bracht die Zeit zu, wie die kleinen Kinder des Landes pflegen: nämlich mit Trinken, Essen und Schlafen, mit Essen, Schlafen und Trinken, mit Schlafen, Trinken und Essen.

Allzeit wälzt' er sich im Kot, vermaskeriert' sich die Nas, bedreckt' sichs G'sicht, trat seine Schuh hinten über, gafft' gern nach den Mucken und lief den Millermahlern fleißig nach, über die sein Vater das Regiment hätt. Er seicht' in seine Schuh, macht' in sein Hemd, schneuzt' sich in Ärmel, rotzt' in die Suppen und patscht' überall durch; trank aus seinem Pantoffel und kraut' ihm den Bauch für gewöhnlich an einem Päner. Stört' sich die Zahn mit einem Holzschuh, wusch seine Hand in Fleischbrüh, strählt' sich mit einem Humpen, setzt' sich ärschlings zwischen zween Stuhl an die Erd, deckt' sich mit einem nassen Sack, lief mit der Latten, trank unter die Suppen, aß seinen Wecken ohn Brot, biß lachend, lacht' beißend, leckt' vorn, kratzt' hinten, spie oft in die Platten, pfercht' Fett, pißt' gegen die Sonnen, versteckt' sich ins Wasser vorm Regen, schmiedet' kalt, träumt' hohl, lud blind, spielt' Stillwässerchens, band das Kalb an, betet' das Affenpaternoster, kehrt' öfters wieder zu seinen Hammeln, setzt' den Bock zum Gärtner, schoß die Katz fürn Hasen, spannt' die Ochsen hinter den Karren, zog die Wurm aus der Nasen, kratzt' sich, wos ihn nit biß, packt' viel an und hielt wenig fest, verzehrt' sein Weißbrot vorneweg, beschlug die Graspferd, füttert' die Wetzstein, kützelt' sich selbst zum Lachen, guckt' weidlich in die Topf, behielt das Korn, gab Gott das Stroh, sang Magnificat zur Metten, und meint', es paßt' sich trefflich wohl, aß Kohl, schiß Mangolt, erkannt' die Muk-ken in der Milch, ließ keiner Muck ein Bein am Leib, zerhudelt' das Papier, verschmiert' das Pergament, riß aus wie Schafleder, zielt' nach der Geiß, macht' seine Rechnung ohn den Wirt, schlug auf den Busch und fing nicht den Vogel, sah den Himmel für einen Dudelsack und Schloßen für Zuckererbsen an, schnitt zween Pfeifen aus einem Rohr, schlug auf den Sack und meint' den Esel, macht' aus seiner Faust einen Schlägel, fing die Kranich im ersten Sprung, wollt das Panzerhemd Masch für Maschen gestrickt han, sah dem geschenkten Gaul allzeit ins Maul, setzt' sich vom Pferd auf den Esel, gab zu zwei grünen eine reife, macht' die Gruben nach dem Erdreich, hütet' den Mond vor den Wölfen, hofft' die Lerchen zu fahn wenn der Himmel einfiel, macht' aus der Not eine Tugend, macht' die Suppen nachdem ers Brot dazu hätt, frug weder nach Geschabt noch Geschoren. Alle Morgen band ers Kalb an. Seines Vaters kleine Hund aßen mit ihm aus einer Schüssel, er desgleichen wieder mit ihnen, er biß sie in die Ohren, sie zerkrellten ihm die Nas, er blies ihnen in den Arß, sie leckten ihm das Schnäuzel. Und sollt ihrs glauben, Bübli? daß euch das Übel zur Pfeifen schlag! dies kleine Hurenjägerlein betastet' seine Wärterinnen schon hinten und vornen, oben und unten harri hotto! in einem fort, und fing schon an sein Hosenlätzlein zu exercieren. Selbiges schmückten seine Wärterinnen alle Tag mit schönen Sträußlein, schönen Bändern, schönen Blumen, schönen Flunkern, schönen Quästlein, und hatten ihre Kurzweil dran, wann er wie ein Roll-Pflästerlein ihnen unter die Hand geriet. Dann kichertens wann er die Ohren spitzt', gleich als ob ihm das Spiel behagt'. Die eine nannt ihn mein klein Hähnlein, die andre mein Stiftel, die dritte mein Korallenzinklein, die viert mein Spündel, mein Stöpserl, mein Drillbohr, mein Stössel, mein Näberl, mein Bummel, mein recht Freudenfest so steif und fest, mein Ladstöckel, mein Rotwürstel, mein klein Hödengschnödel. Es ist mein, sagt' die ein'. Es gehört mir, sagt' die andr'. Und sollt ich leer ausgehn? sagt' die dritt, so schneid ichs ihm mein Treu gar ab. Was schneiden! sagt' die andre: ei, ihr würdet ihm ja weh tun, Frau: schneid ihr den Kindern das Ding ab? So würd er ja Monsieur sans Queue.  - (rab)

Jugend (5) Natürlich, wenn man sich das sentimentale Denken angewöhnt hat und behaupten will, daß die Jugend ein viel besserer Zustand ist, dann werden alle Begriffe verwechselt. Die Jugend ist einfach eine Vertagung. Ob die Jugend, wenn sie erwachsen ist, jemals etwas besser machen wird, das weiß niemand. Jedenfalls wird die Jugend zwanzig Jahre später alt, und die Zustände sind genau wie vorher. Man kann nicht die Jugend mit Aufgaben belasten, welche die Eltern nicht erledigen konnten.  - Ernst Fuhrmann, Der Sinn des Todes. Nach (fuhr)

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