ucken   Maigret schien plötzlich einzufallen, daß er etwas vergessen hatte. Er zog die Gardine vor dem Fenster zu, und dann betrachtete er seine Hände. Es war ein Maigret, wie ihn nur wenige kannten, und selbst diese konnten sich nicht rühmen, ihn oft so gesehen zu haben.

»Komm her, mein lieber Ramuel. Komm her, sage ich dir. Komm näher heran. Hab keine Angst.«

»Was ist?«

»Stell dir vor, seit ich die Wahrheit entdeckt habe, juckt es mich mächtig in den Fingern.«

Und im gleichen Augenblick holte Maigret mit der Faust aus und versetzte dem Buchhalter, der den Arm zu spät gehoben hatte, einen Schlag auf die Nase.

»So, jetzt hast du dein Fett. Es entspricht zwar nicht ganz den Vorschriften, aber es tut gut. Morgen wird dich der Herr Richter höflich vernehmen, und alle werden sanft mit dir umgehen, weil du ein Star des Schwurgerichts werden wirst. Nun, diese Herren lassen sich immer von den Stars beeindrucken. Verstehst du? Hinter der Tür des Schranks ist übrigens ein Wasserhahn. Wasch dich, denn so siehst du ekelhaft aus.« - Georges Simenon, Maigret im Luxushotel. München 1977 (Heyne Simenon-Kriminalromane 59, zuerst 1942)

Jucken (2)    Er stand auf und streckte etwa eine Minute lang horchend den Kopf ins Dunkel. Dann sagte er: »Wer sein da?«

Er horchte wieder; dann kam er auf Zehenspitzen herunter und stellte sich gerade zwischen uns; wir hätten ihn beinah berühren können. Na, ein paar Minuten lang dauerte das wohl: keiner regte sich und wir alle so dicht beieinander. Eine Stelle an meinem Knöchel fing an zu jucken, aber ich wagte nicht, mich zu kratzen; dann juckte es mich am Ohr und dann am Rücken, gerade zwischen den Schultern. Es schien mir fast, ich müßte sterben, wenn ich mich nicht kratzen könnte. Na, ich hab' das seitdem noch oft beobachtet. Immer grade, wenn man mit feinen Leuten zu tun hat, oder bei einem Begräbnis, oder wenn man schlafen möchte und ist doch nicht müde -ausgerechnet wenn man irgendwo ist, wo sich's nicht schickt, sich zu kratzen, da juckt's einen am ganzen Körper, an mehr als tausend Stellen auf einmal. Schließlich sagte Jim: »Sag, wer da? Wo sein du? Wolln verdammt sein, wenn ich nix gehört. Nun, ich wissen, was ich müssen tun. Ich setzen hier hin und horchen, bis ich wieder hören.«

Damit setzte er sich auf die Erde, genau zwischen mich und Tom. Er lehnte den Rücken gegen einen Baum und streckte die Beine von sich, bis das eine beinah an meinen Fuß stieß. Meine Nase fing an zu jucken. Sie juckte dermaßen, daß mir die Augen tränten. Aber ich wagte nicht zu kratzen. Dann juckte sie auf einmal von innen. Und dann juckte mich's unten irgendwo. Ich wußte nicht, wie ich noch weiter stillsitzen sollte. Das Elend dauerte wohl an die sechs oder sieben Minuten, aber es kam mir viel länger vor. Inzwischen juckte mich's an elf verschiedenen Stellen. Ich meinte, daß ich's keine Minute länger so aushallen könnte, trotzdem biß ich die Zähne zusammen und wollte es versuchen. Grade da begann Jim schwer zu atmen; gleich darauf schnarchte er - und dann war mir plötzlich wieder wohl.  - Mark Twain, Huckleberry Finn. Frankfurt am Main 1975 (zuerst 1884)

Jucken (3) Der Hund war ein drolliger Bastard ohne eine Spur von Rasse, doch recht stämmig unter seinem glatten schwarz-weißen, ein wenig mit Fuchsrot gesprenkelten Fell; er war ein Schwadroneur und Schlägertyp und sowas wie der Alptraum der anderen Dorfhunde. Mir war er ein ausgezeichneter Freund, doch auch Gegenstand der Verwirrung, denn bisweilen gab er sich auf meine Kosten einem Treiben hin, dessen Bedeutung ich ziemlich lange nicht begriff: indem er sich auf seine beiden Hinterpfoten stellte und eins meiner Beine mit seinen beiden Vorderpfoten umklammerte, steigerte er sich nach und nach in eine Bewegung, die der eines Lokomotivkolbens glich, und vollzog auf dem Teil meines Fleischs zwischen dem oberen Rand meines Kniestrumpfs und dem unteren Saum meiner Hose eine Art Koitus. Mir graute vor dieser Berührung und am meisten vor dem Augenblick, wenn der Hund nach einigen Momenten fiebriger Aufregung, wo er völlig weggetreten schien, mich benäßte (mit einer Flüssigkeit, die ich lange Zeit für Urin hielt); nichtsdestoweniger fühlte ich mich geschmeichelt, als wäre es Liebe gewesen, die nur mich meinte, und nicht ein allgemeiner Juckreiz, der sich an jedem beliebigen Objekt befriedigen konnte. Aber das Ärgste war vielleicht, daß der Ausdruck des Hundes exakt in der Minute, wo er sich eigentlich am tierischsten gebärdete, menschlich zu werden schien. Dieser Faun ohne Bosheit und Bock mit fleischigen und gutartigen Pfoten blieb dennoch unheimlich, wenn er sich in seinen Sabbat stürzte; denn damals rührte ich an etwas den Ursprüngen ebenso Nahes wie das, was sich mir Jahre später im Tanz des wulstlippigen Automaten der russischen Ballette und, schweigsam und erstarrt, in den Werkzeugen Satans auf den Bildern von gewissen alten Böcken der Dämonologie zu offenbaren schien.  - Michel Leiris, Die Spielregel I. Streichungen. München 1982 (zuerst 1948)

Jucken (4) Am nächsten Morgen lagen die Meteoriten-Steinchen auf der Erde, der Boden des Plastikeimers war geschmolzen. Die Steinchen waren radioaktiv und wenn man mit der Hand darüber streifte, juckten sie einen. Da füllte sie die Steinchen in Marmeladegläser und stellte sie in den Lagerraum,

Und hier passierte einiges, was sie beeindruckte. Das erste war, daß der Sohn ihres Bruders und eine Kusine von ihr wie gewöhnlich jeden Nachmittag (entsprechend ihrem Alter) zum Ficken in den Lagerraum gingen und ihnen beiden mittendrin die Beine juckten und das Jucken dann zwei Wochen anhielt. Eines Tages entdeckte sie, wie der Kater gegen eine Mauer sprang, weil ihn der Rücken juckte, an einem anderen Tag, wie eine Taube zitternd am Fenster des Lagerraumes saß, und schließlich, daß zwei Mäuse sich ihre Pfötchen abgebissen hatten, weil sie offensichtlich den Gläsern zu nahe gekommen und die Pfoten verseucht worden waren.   - (gcel)

Jucken (5)

- "Tom" vom 10. 6. 2004

 

Haut Haut

 

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