»Komm her, mein lieber Ramuel. Komm her, sage ich dir. Komm näher heran. Hab keine Angst.«
»Was ist?«
»Stell dir vor, seit ich die Wahrheit entdeckt habe, juckt es mich mächtig in den Fingern.«
Und im gleichen Augenblick holte Maigret mit der Faust aus und versetzte dem Buchhalter, der den Arm zu spät gehoben hatte, einen Schlag auf die Nase.
»So, jetzt hast du dein Fett. Es entspricht zwar nicht ganz den Vorschriften,
aber es tut gut. Morgen wird dich der Herr Richter höflich vernehmen, und
alle werden sanft mit dir umgehen, weil du ein Star des Schwurgerichts
werden wirst. Nun, diese Herren lassen sich immer von den Stars beeindrucken.
Verstehst du? Hinter der Tür des Schranks ist übrigens ein Wasserhahn.
Wasch dich, denn so siehst du ekelhaft aus.« - Georges Simenon, Maigret
im Luxushotel. München 1977 (Heyne Simenon-Kriminalromane 59, zuerst 1942)
Er horchte wieder; dann kam er auf Zehenspitzen herunter und stellte sich gerade zwischen uns; wir hätten ihn beinah berühren können. Na, ein paar Minuten lang dauerte das wohl: keiner regte sich und wir alle so dicht beieinander. Eine Stelle an meinem Knöchel fing an zu jucken, aber ich wagte nicht, mich zu kratzen; dann juckte es mich am Ohr und dann am Rücken, gerade zwischen den Schultern. Es schien mir fast, ich müßte sterben, wenn ich mich nicht kratzen könnte. Na, ich hab' das seitdem noch oft beobachtet. Immer grade, wenn man mit feinen Leuten zu tun hat, oder bei einem Begräbnis, oder wenn man schlafen möchte und ist doch nicht müde -ausgerechnet wenn man irgendwo ist, wo sich's nicht schickt, sich zu kratzen, da juckt's einen am ganzen Körper, an mehr als tausend Stellen auf einmal. Schließlich sagte Jim: »Sag, wer da? Wo sein du? Wolln verdammt sein, wenn ich nix gehört. Nun, ich wissen, was ich müssen tun. Ich setzen hier hin und horchen, bis ich wieder hören.«
Damit setzte er sich auf die Erde, genau zwischen mich und Tom. Er lehnte
den Rücken gegen einen Baum und streckte die Beine von sich, bis das eine beinah
an meinen Fuß stieß. Meine Nase fing an zu jucken. Sie juckte dermaßen, daß
mir die Augen tränten. Aber ich wagte nicht zu kratzen. Dann juckte sie auf
einmal von innen. Und dann juckte mich's unten irgendwo. Ich wußte nicht, wie
ich noch weiter stillsitzen sollte. Das Elend dauerte wohl an die sechs oder
sieben Minuten, aber es kam mir viel länger vor. Inzwischen juckte mich's an
elf verschiedenen Stellen. Ich meinte, daß ich's keine Minute länger so aushallen
könnte, trotzdem biß ich die Zähne zusammen und wollte es versuchen. Grade da
begann Jim schwer zu atmen; gleich darauf schnarchte
er - und dann war mir plötzlich wieder wohl. - Mark Twain, Huckleberry
Finn. Frankfurt am Main 1975 (zuerst 1884)
- Michel Leiris, Die Spielregel I. Streichungen. München 1982
(zuerst 1948)
Jucken (4) Am nächsten Morgen lagen die Meteoriten-Steinchen auf der Erde, der Boden des Plastikeimers war geschmolzen. Die Steinchen waren radioaktiv und wenn man mit der Hand darüber streifte, juckten sie einen. Da füllte sie die Steinchen in Marmeladegläser und stellte sie in den Lagerraum,
Und hier passierte einiges, was sie beeindruckte. Das erste war, daß
der Sohn ihres Bruders und eine Kusine von ihr wie gewöhnlich jeden Nachmittag
(entsprechend ihrem Alter) zum Ficken in den Lagerraum gingen und ihnen
beiden mittendrin die Beine juckten und das Jucken dann zwei Wochen anhielt.
Eines Tages entdeckte sie, wie der Kater gegen eine Mauer sprang, weil
ihn der Rücken juckte, an einem anderen Tag, wie eine Taube zitternd am
Fenster des Lagerraumes saß, und schließlich, daß zwei Mäuse sich ihre
Pfötchen abgebissen hatten, weil sie offensichtlich den Gläsern zu nahe
gekommen und die Pfoten verseucht worden waren. -
(gcel)
Jucken (5)
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