aguar   »Ich habe Jaguar gejagt, zuviele. Bin ein großer Jaguarjäger. Bin hierher gekommen, um den Jaguar zu jagen«. Das Eingeständnis ist zugleich Widerruf: »Es ist häßlich, daß ich getötet habe. Jaguar ist mein Verwandter«. Zugleich spricht der kundige und triumphierende Jäger: »Ich zielte ins Maul, um das Fell nicht zu verderben«. Indem der Jäger erzählt, wird er zum Liebenden: »Das erste Jaguarweibchen, das ich sah und nicht tötete, war Maria-Maria. Ich schlief im Busch, ganz in der Nähe, an einem Feuer, das ich gemacht hatte. Im Morgengrauen schlief ich ein. Es weckte mich, beroch mich. Ich sah ihre hübschen Augen, gelbe Augen mit den kleinen schwarzen Flecken darin, die im Halbdunkel hüpften...« Umwelt und Inneres werden zu einem »Jaguaretama«, einem einzigen Jaguarland: »Ich verspürte Lust, wahnsinnige Lust, ein Jaguar zu werden. Ich, ich großer Jaguar. Als Jaguar hinauszuziehen, im kleinen Dunkel des Morgengrauens. Es brüllt stumm in mir, denn schön ist der Jaguar.« Der Jäger entdeckt im Jaguar seinen Verwandten, der Neffe erkennt im Tier seinen Onkel: »Kommen Sie, riechen Sie mal. Hab ich nicht den Geruch des Jaguars.« Der Jäger wird zum Gejagten, sich selber zur Beute und zur Beute des Gegenüber, des andern, der die Waffe hebt. Nun spricht aus dem Jaguarjäger der Jaguar:

»Weg mit dem Revolver! Spielen Sie nicht damit, drehen Sie ihn weg... Ich rühr mich ja nicht, bin ganz still, still... Oi: wollen Sie mich töten, ui? Werfen Sie den Revolver weg, weg damit! Sie sind krank, Sie werden ganz anders... sind Sie gekommen, um mich festzunehmen? Oi: ich leg meine Hand wegen nichts so auf den Boden, nur so...? Oi, die Kälte... Sind Sie verrückt?! Atie! Hinaus mit Ihnen, die Hütte gehört mir, xö! Atimbora! Sie töten mich, Ihr Kamerad kommt, der läßt Sie festnehmen ... Jaguar kommt, Maria-Maria, frißt Sie... Jaguar ist mein Verwandter... Ei, wegen dem Schwarzen? Hab den Schwarzen nicht getötet, hab Unsinn erzählt... Oi der Jaguar! Ui, ui, Sie sind gut, tun Sie das nicht mit mir, töten Sie mich nicht... Ich-Macuncozo... Tun Sie das nicht, tun Sie's nicht... Nhe`henhem... Heee!... He... Aarrr... Sie haben mich arrhoòu... Remuaci... Reiucanace... Arraa... Uhm... Ui... Ui... Uh uh eeee. eè. . . è... è. . .«   - João  Guimarães Rosa, nach (loe2)

Jaguar (2)  In der Nacht stand ein Mann, von allen Seiten festgebunden, auf einer Tempelterrasse und wehrte sich mit Holzklötzchen gegen zwei aufrechte Jaguare, die ihn von rechts und links auf das heftigste bedrängten. Beide waren mit sonderbaren Bändern in vielerlei Farben geschmückt. Sie fletschten die Zähne, fauchten und rollten die Augen so wild, daß es einem kalt über den Rücken lief. Der Himmel war schwarz und eng und hatte seine Sterne in der Tasche versteckt. Glaskugeln flössen aus den Augen des Gefangenen und sprangen am Boden in tausend Splitter. Da sich gar nichts änderte, gewöhnte man sich an den grausamen Kampf und gähnte. Da fiel durch Zufall der Blick auf die Füße der Jaguare. Es waren Menschenfüße. Oho, fuhr es dem Betrachter, einem langen, gebildeten Herrn, durch den Kopf: das sind mexikanische Opferpriester. Sie führen eine heilige Komödie auf. Das Opfer weiß wohl, daß es sterben muß. Die Priester sind als Jaguare verkleidet, aber ich durchschaue sie gleich.

Da zückt der rechte Jaguar einen wuchtigen Steinkeil und stößt ihn dem Opfer mitten ins Herz. Eine Kante schneidet die Brust scharf auf. Kien schließt geblendet die Augen. Er denkt, daß Blut bis zum Himmel spritzt, und rügt diese mittelalterliche Barbarei. Er wartet, bis er das Blut verflossen glaubt, und öffnet die Augen. Entsetzlich: aus der aufgerissenen Brust springt ein Buch hervor, ein zweites springt nach, ein drittes, viele. Sie nehmen kein Ende, sie fallen zu Boden, sie werden von klebrigen Flammen erfaßt. Das Blut hat den Holzstoß angezündet, die Bücher verbrennen. »Brust zu!« ruft Kien zum Gefangenen hinüber. »Brust zu!« Er gestikuliert mit den Händen, so müsse er es machen, nur rasch, nur rasch! Der Gefangene versteht; durch einen starken Ruck entledigt er sich der Fesseln und greift mit beiden Händen vors Herz, Kien atmet auf.

Da reißt das Opfer die Brust weit, weit auseinander. Bücher, Bücher kollern hervor. Dutzende, Hunderte, sie sind nicht zu zählen. - Elias Canetti, Die Blendung. Frankfurt am Main 200 (zuerst 1935)

Jaguar (3)  Ich verließ den Unterstand. Ein gefleckter Jaguar glitt aus dem Blätterdach und folgte dem Pfad. Ich zog mich in den Unterstand zurück. Es war ein prächtiges Tier, mit geschmeidigen, aber trägen Bewegungen. Seine Schultern waren genau in meiner Schußlinie. Sein Schwanz schleifte auf dem Boden. Als das Raubtier auf die Lichtung hinaustrat, sprang das Zicklein auf, zerrte an seinem Strick, verwickelte sich darin, und ich hörte es verzweifelt meckern. Aber der Jaguar sah es nicht einmal an. Er setzte sich auf sein Hinterteil und ging seelenruhig daran, sich das rechte Ohr zu kratzen. Er hatte einen Floh.   - (cend)

Jaguar (4, brasilianischer) »Die allerheiligste katholische Dreifaltigkeit wird gemeinhin von drei Personen gebildet. Unsere allerheiligste Dreifaltigkeit umfaßt fünf Gottheiten und wird immer durch das brasilianische Wappentier par excellence, den gefleckten Jaguar, dargestellt. Deshalb wandte ich mich an jenem Tage zuerst in die Richtung von Pajeú, wo die beiden Steintürme unseres Reiches liegen. Ich schlug das Buch des Sertão-Pilgers auf und begann in psalmodierendem Tonfall eine erste Anrufung an Adonai, die schreckliche jaguarhafte Sertão-Gottheit, die auch den Namen Aureadugo führt.«

»Wie heißt sie?« fragte der Richter neuerdings erschrocken.

»Aureadugo, Ew. Ehren. ›Adugo‹ ist der Tapuia-Name für den gefleckten Jaguar. ›Aureadugo‹ ist ein aus der Zusammenziehung des Adjektivs ›golden‹, der rechtsstehenden Tapirseite Gottes, und des Substantivs ›adugo‹ entstandener Name. Der ›Aureadugo‹ ist also der aus dem Gold des Göttlichen gebildete gefleckte Jaguar. Es ist der jüdische Adonai, und dies sind die schrecklichsten Namen des Sertão-Gottes aus der Wüste von Judäa.«  - (stein)

Jaguar (5)

Jaguar bei genauerem Hinsehen

Er kugelt dahin, ein Fellsack voll Kugeln,
Der Hüftknochen tanzt im Gelenk, das Rückgrat hängt durch,
Getrieben vom stoßenden Drang seiner Eile,
Wie eine Katze im Hagel von Steinen, geduckt,
Seitwärts spähend, rennt er
Unterm Rückgrat voran. Ein schreckliches Watscheln,
Wie ein dicker aztekischer Opferpriester,
Keulenschwingend, als versuchte er, einen Klotz
Zwischen den Hinterbeinen rund zu schleifen.
Trägt den Kopf wie eine Pfanne voll glühender Kohlen,
Und die schwarzen Lefzen am Maul, er schiebt sie
Zwischen die hinteren Zähne, er muß seine Haut abtragen,
Er schlappt einen Schluck aus dem Wassertrog beim Wenden,
Dreht den Ballen auf dem glatten Boden,
Zeigt seinen Bauch, ein Schmetterling,
Jeder Schritt, den er tut, ist eckig, als müßt er
Ihn korrigieren. Sein Kopf
Ist wie der schäbige Rest eines ändern Jaguars,
Vorwärts gestoßen von der Maschine seines Körpers,
Unter der Luft nach vorn gestoßen,
Die Last der Fangzähne zieht das Maul nach unten,
Kinnlade kämmt den Boden. Ein schlingender Blick,
Bandit, den Knüppelschwanz nachschleppend ohne Anmut,
Verschleißt er sich zu plumpen Ovalen,
Knurrt Mantrah-Sprüche, Mordsongs zur Trommel,
Damit seine Wut auch ja frisch bleibt, sein Fell
Unterträglich, gespickt mit Rosetten, den Kainsmalen,
Er trägt sein Fell von innen ab,
Raunt was von Rache. Geht wie eine Gebetsmühle,
Der Kopf zerrt nach vorn, der Leib halt sich aufrecht,
Die Hinterbeine schleppen. Er schwenkt seinen Schweif
Wie eine Seeräuberflagge, nach Opfer witternd,
Hastet durch die Unterwelt, lautlos.


- Ted Hughes,
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Großkatze

 

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Verwandte Begriffe

Synonyme