Jagdgewehr  

Eine große Matrosenpfeife im Mund,
läßt er Setter-Hunde vor sich her laufen,
stapft mit hohen Stiefeln über die Eiszapfen der Erde
und steigt auf engem Pfad durch das Gestrüpp hinauf zum
frühwinterlichen Amagi-Berg.
An seinem Gurt trägt er 25 Schuß Jagdmunition
seine Lederjacke ist dunkelbraun
und darüber hängt die Churchill-Doppelflinte.
mit diesem schimmernden Stahlrohr, das Leben vernichtet?
Warum bewegt mein Herz so
der Rücken dieses großen, zufällig vorüberschreitenden Jägers?

Seit diesem Tag,
auf Großstadt-Bahnhöfen und spät in der Nacht in Amüsierlokalen,
überfällt mich unversehens
ach, der Wunsch, wie dieser Jäger dahinzugehen,
gemächlich, ruhig und kalt.
In solchen Augenblicken sehe ich immer,
was hinter dem Jäger sich breitet:
nicht etwa die frühwinterliche Landschaft des Amagi-Bergs,
sondern ein verödetes, weißes Flußbett.
Das schimmernd geputzte Jagdgewehr
drückt seine ganze Last
tief in Seele und Leib des einsamen Mannes von mittleren Jahren,
strahlt eine seltsame, blutbefleckte Schönheit aus,
die, wenn das Gewehr auf Lebendes zielt,
niemals erscheint.

Dieser im Gedicht beschriebene Mann schickt Inoue einen versiegelten Brief, die Schriftzeichen auf dem weißen Umschlag sehen wie die in das Steinmonument auf dem Taishan-Berg eingeritzten Schriftzeichen aus, über die ein Historiker einmal schrieb, sie sähen wie heller Sonnenschein nach herbstlichen Regenschauern aus. Der Briefschreiber, ein Mann in einer hohen gesellschaftlichen Stellung, schreibt von sich, er sei kein Mann von erlesenem Geschmack und verstehe nichts von Poesie, aber das Gedicht Inoues habe ihn so tief bewegt wie kaum etwas je zuvor und er schicke drei an ihn, den Briefschreiber, gerichtete Briefe, damit Inoue wisse, wie das »weiße Flußbett« aussehe, m das er, der Briefschreiber, einmal geblickt habe. Der erste der drei Briefe ist von der Nichte des Briefschreibers, die entdeckt hat, daß dieser, ihr Onkel, der Geliebte ihrer Mutter gewesen war, die Selbstmord begangen hat, der zweite Brief stammt von der Frau des Brief Schreibers, die von Anfang an von der Beziehung ihres Mannes zu ihrer Schwester wußte - ohne daß die Schwester es ahnte, und endlich der Brief der gehebten Schwägerin an den Briefschreiber, vor ihrem Selbstmord geschrieben - weil sie erfahren hat, daß ihre Schwester von ihrer Liebe weiß. Sie werde, schreibt sie ihm, jetzt unausweichlich als eine Frau gestraft, welche die Qual des Liebens nicht hat ertragen wollen und nur immer nach dem Glück, geliebt zu werden, jagte.    - Yasushi Inoue, Das Jagdgewehr. Nach: Friedrich Dürrenmatt, Einführung Yasushi Inoue. In: F. D., Versuche. Zürich 1991

Jagdgewehr (2)

Ernest Hemingway

- N. N.

 

Jagd Gewehr Jagdwaffe

 

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