rrtum  Ein Tellerwäscher aus Nancy, Vital Frérotte, der für immer von der Tuberkulose geheilt aus Lourdes zurückgekehrt war, ist, ein Irrtum, am Sonntag gestorben. - (fen)

Irrtum (2) Bacon sagte, der menschliche Geist sei kein vollkommen ebener, sondern ein geringfügig konkaver oder konvexer Spiegel, der die Wirklichkeit verzerrt. Er behauptete, der Mensch neige zu Irrtümern, und die Irrtümer, denen wir am meisten zuneigen, nannte er »idols« [Idole  Götzen  Scheinbilder] und machte sich daran, sie aufzulisten.

Zuerst galb es die »idola tribus«, die Götzen des Stammes, die der ganzen Menschheit gemein sind. Er erklärte, es gebe Geister, die Affinitäten zwischen den Dingen wahrnehmen, und andere, die dazu neigen, Differenzen zwischen den Dingen zu bemerken oder zu übertreiben, und der wissenschaftliche Beobachter müsse sich selbst beobachten und seine Neigung korrigieren, Differenzen oder Ähnlichkeiten zu bemerken (Differenzen oder Sympathien, würde Alfonso Reyes sagen). Danach spricht Bacon von den Götzen der Höhle, »idola specus«. Mit anderen Worten: Jeder neigt, ohne es zu wissen, zu einer bestimmten Art des Irrtums. Stellen wir uns einen Menschen vor, einen intelligenten Menschen, dem man zum Beispiel Heines Lyrik, Spinozas Philosophie und die Lehren von Einstein oder Freud erklärt. Wenn dieser Mann Antisemit ist, wird er dazu neigen, diese Werke abzulehnen, einfach weil sie von Juden stammen; wenn er Jude oder Philosemit ist, wird er dazu neigen, sie zu akzeptieren, einfach weil er Sympathie für Juden hat. In beiden Fällen wird er diese Werke nicht unparteiisch untersuchen, sondern ihre Bewertung seinen Vorlieben oder Abneigungen unterordnen.

Dann spricht Bacon von den »idola fori«, den Götzen des Forums oder des Marktplatzes; das sind jene Irrtümer, die von der Sprache bewirkt werden. Er bemerkt, die Sprache sei nicht das Werk der Philosophen, sondern der Leute. Chesterton sollte später behaupten, die Sprache sei von Jägern, Fischern und Nomaden erfunden und daher essentiell poetisch. Mit anderen Worten: Die Sprache wurde nicht als Beschreibung der Wahrheit erfunden, sondern, von willkürlichen und phantasievollen Menschen erschaffen; Sprache führt uns unausgesetzt in die Irre. Wenn Sie zum Beispiel sagen, jemand sei taub, und ein anderer bezweifelt das, werden Sie sagen: »Doch, der ist stocktaub«, nur weil Sie die passende Wendung »stocktaub« zur Hand haben.

Diesen Götzen fügt Bacon einen vierten Typ hinzu, die »idola theatri«, Götzen des Theaters. Bacon merkt an, daß alle wissenschaftlichen Systeme - ohne sein eigenes System von Philosophie, Beobachtung und Induktion auszuschließen, des Schließens nicht vom Allgemeinen auf das Besondere, sondern vom Besonderen auf das Allgemeine — die wirkliche Welt durch eine Welt ersetzen, die mehr oder minder phantastisch oder jedenfalls simplifiziert ist. So haben wir den Marxismus, der alle historischen Vorgänge nach wirtschaftlichen Kriterien untersucht; oder wir haben einen Historiker wie Bossuet, der im gesamten geschichtlichen Prozeß die Hand der Vorsehung sieht; oder die Theorien von Spengler; oder die zeitgenössischen Doktrinen von Toynbee, und nichts von alledem, würde Bacon sagen, ist Realität, sondern Theater, eine Darstellung der Realität. - (bo2)

Irrtum (3)  1. Es gibt kein höchstes, weisestes und über alles vorhersehendes göttliches Wesen, das von der Gesamtheit dieser Welt unterschieden wäre. Gott ist zugleich wie das Wesen der Dinge und daher Veränderungen unterworfen. In der Wirklichkeit ist Gott ein Werdender im Mensch und in der Welt. Alles ist Gott und besitzt Seine eigene Wesenheit. Gott und die Welt sind ein und dieselbe Macht und Sache. Deshalb sind ebenfalls Geist und Materie, Notwendigkeit und Freiheit, Wahrheit und Falsches, Gutes und Böses, Recht und Unrecht ein und dasselbe.

2. Jede Einwirkung von Gott auf die Menschen und auf die Welt ist zu leugnen.

3. Die menschliche Vernunft ist, ohne dass wir sie irgendwie auf Gott beziehen müssten, der einzige Richter über Wahrheit und Falsches, über Gut und Böse. Sie ist sich selbst Gesetz und mit ihrer natürlichen Kraft ausreichend, um das Wohl der Menschen und Völker zu sichern.

4. Alle Wahrheiten der Religion fließen aus der angeborenen Kraft der menschlichen Vernunft. Daher ist die Vernunft die hauptsächliche Richtlinie, nach welcher der Mensch die Erkenntnis aller Art von Wahrheit erreichen kann und soll.

5. Die göttliche Offenbarung ist unvollkommen und daher einem stetigen und unbegrenzten Fortschritt unterworfen, der dem Fortschritt der menschlichen Vernunft entspricht.

6. Der Glaube an Jesus Christus steht im Widerspruch zur menschlichen Vernunft. Die göttliche Offenbarung ist daher nicht nur nutzlos, sondern sie schadet sogar der Vollkommenheit des Menschen.

7. Die in der Heiligen Schrift dargelegten und erzählten Prophezeiungen und Wunder sind Erfindungen von Dichtern. Die Geheimnisse des Glaubens sind das Ergebnis aus philosophischen Forschungen. In den Büchern der beiden Testamente sind mystische Erfindungen enthalten. Jesus Christus selbst ist eine dieser mystischen Erfindungen 

8. Da die menschliche Vernunft dem Glauben unmittelbar gleichzusetzen ist, müssen die theologischen Wissenschaften in gleicher Form wie die philosophischen Lehrfächer behandelt werden.

9. Alle Glaubenssätze der christlichen Religion sind ohne Unterschied Gegenstand der natürlichen Wissenschaft oder der Philosophie. Die nur geschichtlich ausgebildete menschliche Vernunft kann aus ihren natürlichen Kräften und Grundsätzen zu dem wahren Wissen aller, auch schwieriger Glaubenssätze gelangen, wenn diese Glaubenssätze der Vernunft als Gegenstand vorgelegt wurden.

10. Unterschiedlich sind der Philosoph und die Philosophie. Daher hat der Philosoph das Recht und die Pflicht, sich der Autorität zu unterwerfen, die er persönlich als wahre Autorität erkannt hat. Die Philosophie kann und darf sich allerdings keiner Autorität unterwerfen.

11. Die Kirche darf nicht nur überhaupt keine Erklärung gegen die Philosophie abgeben, sondern sie muss auch die Irrtümer dieser Philosophie dulden und es ihr selbst überlassen, sich zu verbessern.

12. Die Dekrete des Apostolischen Stuhles und der Römischen Kongregationen behindern den freien Fortschritt der Wissenschaft.

13. Die Arbeitsweise und die Grundsätze, nach welchen die alten scholastischen Lehrer die Theologie gepflegt haben, stimmen in keiner Weise mit den Bedürfnissen unserer Zeit und dem Fortschritt der Wissenschaften überein.

14. Die Philosophie muss ohne Rücksicht auf die übernatürliche Offenbarung behandelt werden.

NB: Mit dem System des Rationalismus hängen zum größten Teil die Irrtümer von Anton Günther zusammen, die verurteilt werden.

15. Jedem Menschen steht es frei, eine Religion anzunehmen und zu bekennen, die er im Lichte der Vernunft als die wahre Religion erachtet.

16. Die Menschen können bei der Ausübung einer jeden beliebigen Religion den Weg des ewigen Heiles finden und die ewige Seligkeit erlangen.

17. Es darf völlig auf die ewige Seligkeit aller Menschen gehofft werden, welche nicht in der wahren Kirche Christi leben.

18. Der Protestantismus ist nichts anderes, als eine eigenständige Form des gleichen wahren christlichen Glaubens. In diesem Glauben ist es ebenso möglich, Gott wohlgefällig zu dienen, wie in der katholischen Kirche.

19. Die Kirche ist keine wahre, vollkommene und völlig freie Gesellschaft. Sie besitzt nicht ihre eigenen und beständigen, von ihrem göttlichen Gründer verliehenen Rechte. Es ist eine Angelegenheit der staatlichen Gewalt, die Rechte der Kirche und ihre Grenzen zu bestimmen, innerhalb derer sie diese Rechte ausüben darf.

20. Die kirchliche Gewalt darf ihre Autorität ohne Erlaubnis und Zustimmung der staatlichen Gewalt nicht ausüben.

21. Die Kirche ist nicht im Besitz der Vollmacht, in einem Glaubenssatz festzulegen, dass der Glaube der katholischen Kirche den einzigen wahren Glauben darstellt.

22. Die Verpflichtung, durch die katholische Lehrer und Schriftsteller völlig gebunden werden, beschränkt sich lediglich auf das, was durch eine unfehlbare Entscheidung der Kirche als allgemeiner Glaubenssatz vorgelegt wird.

23. Römische Päpste und Allgemeine Konzile haben die Grenzen ihrer Befugnis überschritten, sich Rechte der oberen Staatsgewalt angemaßt und sich in der genauen Festsetzung von Glaubens- und Sittenlehren geirrt.

24. Die Kirche ist weder zur Anwendung politischer Amtsgewalt befähigt, noch hat sie irgendeine mittelbare oder unmittelbare Amtsgewalt.

25. Außer der in der Bischofwürde verankerten Gewalt, ist den Bischöfen eine weltliche Gewalt beigegeben, die von der staatlichen Gewalt entweder ausdrücklich oder stillschweigend erlaubt wurde. Sie kann daher von der staatlichen Gewalt nach Belieben widerrufen werden.

26. Die Kirche hat kein natürliches und gesetzliches Recht auf Erwerb und Besitz.

27. Die gottgeweihten Diener der Kirche und der Römische Papst sind von jeder Sorge und Herrschaft über weltliche Dinge völlig auszuschließen.

28. Ohne Erlaubnis der Regierung, dürfen die Bischöfe keine Apostolischen Schreiben veröffentlichen.

29. Gnaden, die der Heilige Stuhl verleiht, müssen als ungültig angesehen werden, wenn sie nicht durch die Regierung erwirkt wurden.

30. Die Immunität der Kirche und der kirchlichen Personen hat ihren Ursprung im staatlichen Recht.

31. Die päpstliche Gerichtsbarkeit für zeitliche Angelegenheiten der Geistlichen, in bürgerlicher oder strafrechtlicher Hinsicht, ist ohne Beratung und gegen den Einspruch des Apostolischen Stuhles völlig abzuschaffen.

32. Ohne Verletzung des natürlichen Rechtes und der Billigung, kann das persönliche Vorrecht der Kleriker zur Befreiung von der Last und der Leistung der Militärpflicht abgeschafft werden. Der bürgerliche Fortschritt erfordert diese Abschaffung, besonders in einer Gesellschaft mit einer politisch freiheitlichen Regierungsform.

33. Die kirchliche Rechtsprechungsgewalt ist nicht ausschließlich befugt, theologische Lehren aus eigenem oder angeborenem Recht zu leiten.

34. Die Lehre derjenigen, die den Römischen Papst mit einem freien Staatsoberen vergleichen, der in der gesamten Kirche seine Macht ausübt, ist eine Lehre, die im Mittelalter vorherrschte.

35. Nichts verbietet, durch den Beschluss eines Allgemeinen Konzils oder die Tat der gesamten Völker, das Papsttum vom Römischen Bischof und von Rom auf einen anderen Bischof und eine andere Stadt zu übertragen.

36. Die Bestimmung eines nationalen Konzils lässt keine weitere Erörterung und Abhandlung zu. Die staatliche Macht kann eine Abwicklung der Dinge in diesem Sinn verlangen.

37. Es können staatliche Kirchen errichtet werden, die der Autorität des Römischen Papstes entzogen und völlig von ihr getrennt sind.

38. Die übermäßige Willkür der Römischen Päpste hat zur Trennung in eine morgenländische und in eine abendländische Kirche beigetragen.

39. Der Staat besitzt den Ursprung und die Quelle aller Rechte und daher ein uneingeschränktes Recht.

40. Die Lehre der katholischen Kirche widerstrebt dem Wohl und dem Nutzen der menschlichen Gesellschaft.

41. Der staatlichen Gewalt steht ein indirektes, negatives Recht in Glaubensdingen zu, selbst wenn sie von einem ungläubigen Herrscher ausgeübt wird. Ihr steht daher nicht nur das Erlaubnisrecht zu, das man »Exequatur« nennt, sondern auch das Recht der Berufung vom Missbrauch, der sogenannten »Appellatio ab abusu«.

42. Im Konflikt der Gesetze beider Gewalten, erhält das staatliche Recht den Vorrang.

43. Die weltliche Macht ist befugt, feierliche Abmachungen, sogenannte Konkordate, die mit dem Heiligen Stuhl über die Ausübung der zur kirchlichen Immunität gehörenden Rechte geschlossen wurden, auch ohne dessen Zustimmung oder Widerspruch, als ungültig zu erklären und außer kraft zu setzen.

44. Die staatliche Autorität kann sich in Dinge einmischen, die den Glauben, die Sitten und die geistliche Leitung betreffen. Daher kann sie über Weisungen urteilen, welche die Hirten der Kirche gemäß ihrem Amt als Richtschnur für Gewissensfragen erlassen. Sie kann sogar über die Verwaltung der göttlichen Gnadenmittel und über die Anforderungen zu deren Empfang entscheiden.

45. Die gesamte Leitung des öffentlichen Schulwesens, die dem Unterricht der Jugend eines christlichen Staates dient, mit gewissen Ausnahmen der bischöflichen Seminarien, kann und soll der weltlichen Autorität zuerkannt werden, sich in die Einrichtung und Ordnung der Schulen, in die Lehrordnung, in die Titelverleihung und in die Wahl und Genehmigung der Lehrer einzumischen.

46. Selbst die Seminarien für den Klerus unterliegen in ihren Lehrmethoden der weltlichen Autorität.

47. Die Rücksicht auf das Wohl des Staates verlangt, dass die Volksschulen, die allen Kindern jeder Bevölkerungsschicht zugänglich sind, sowie die öffentlichen Anstalten, welche für den höheren wissenschaftlichen Unterricht und für die Erziehung der Jugend bestimmt sind, der Autorität der Kirche vollständig entzogen und der Leitung der bürgerlichen und staatlichen Macht unterworfen sind, je nach Belieben der Regierung und unter dem Einfluss der jeweiligen Meinungen des Zeitalters.

48. Katholische Männer können sich mit einer Art des Jungendunterrichtes zufrieden geben, der vom katholischen Glauben und von der Gewalt der Kirche getrennt ist, und nur die Wissenschaft der natürlichen Dinge sowie die Zwecke des irdischen sozialen Lebens ausschließlich oder in erster Linie beinhaltet.

49. Die weltliche Autorität kann die Einschränkung geltend machen, dass die Bischöfe und die gläubigen Völker mit dem Römischen Papst frei und gegenseitig verkehren.

50. Die weltliche Macht hat von sich aus das Recht, Bischöfe vorzuschlagen. Sie kann von ihnen verlangen, die Verwaltung ihrer Diözesen anzutreten, bevor sie vom Heiligen Stuhl ihre kanonische Einsetzung und das Apostolische Schreiben erhalten haben.

51. Die weltliche Macht hat sogar das Recht, Bischöfe von der Ausübung ihres Hirtenamtes zu entheben. Sie ist nicht verpflichtet, dem Römischen Papst in Angelegenheiten zu gehorchen, die sich auf die Errichtung von Bistümern und Einsetzung von Bischöfen beziehen.

52. Die Regierung kann in Ausübung ihres eigenen Rechtes das von der Kirche vorgeschriebene Alter zur Ablegung von Ordensgelübden sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Orden ändern und allen Ordensgemeinschaften vorschreiben, jemanden ohne Erlaubnis zur Ablegung der feierlichen Gelübde zuzulassen.

53. Die Gesetze zum Schutz der Orden sowie ihre Rechte und Pflichten sind abzuschaffen. Die weltliche Macht kann allen Beistand leisten, die ihren gewählten Ordensstand verlassen und ihre feierlichen Gelübde brechen wollen. Ebenso kann sie diese Ordenshäuser, Kollegiatskirchen, einfache geistliche Pfründen sowie auch das Patronatsrecht ganz aufheben und ihre Güter und Einkünfte der staatlichen Verwaltung und Staatsverfügung unterstellen.

54. Könige und Staatsoberhäupter sind nicht nur von der Rechtssprechung der Kirche enthoben, sondern stehen auch in der Entscheidung der Frage der Rechtssprechung über der Kirche.

55. Die Kirche ist vom Staat und der Staat von der Kirche zu trennen.

56. Die Sittengesetze bedürfen keiner göttlichen Bestätigung. Es ist nicht notwendig, dass die menschlichen Gesetze mit dem Naturrecht in Übereinstimmung gebracht werden, oder ihre verpflichtende Kraft von Gott erhalten.

57. Die Philosophie und die Sittenlehre, ebenso die bürgerlichen Gesetze, können und sollen von der göttlichen und kirchlichen Lehre abweichen.

58. Es sind keine anderen Kräfte anzuerkennen, als die, die in der Materie liegen. Die Sittlichkeit, der Anstand und die Würde sind in der Anhäufung und Vermehrung von Reichtümern auf jegliche Weise und in der Befriedigung der sinnlichen Genüsse zu suchen.

59. Das Recht besteht in der Tatsache. Alle Pflichten der Menschen sind leere Worte. Alle menschlichen Handlungen haben den Anspruch auf Rechtskraft.

60. Autorität bedeutet nichts anderes, als der Inbegriff der Zahlenmenge und der Gesamtheit der materiellen Kräfte .

61. Eine erfolgreiche Ungerechtigkeit bringt der Heiligkeit des Rechts keinerlei Nachteile.

62. Der sogenannte Grundsatz der Nichteinmischung(1) muss verkündet und beachtet werden.

(1) »Principium de non-interventu«; darauf berief sich Napoleon III. von Frankreich, um seine Versprechen nicht halten und Pius IX. gegen die ins Territorium des Römischen Papstes einrückenden Truppen der Piemonteser keinen Beistand leisten zu müssen.

63. Rechtmäßigen Staatsoberhäuptern darf der Gehorsam versagt und sich sogar gegen sie aufgelehnt werden.

64. Der Bruch eines jeden noch so heiligen Eides, ebenso jede verbrecherische und unsittliche Handlung, die dem ewigen Gesetz im Widerspruch steht, sind nicht nur nicht zu verdammen, sondern durchaus erlaubt und sogar höchst lobenswert, wenn sie aus Liebe zum Vaterland geschieht.

65. Es kann auf keine Weise zugegeben werden, dass Christus die Ehe zur Würde eines Sakramentes erhoben hat.

66. Das Sakrament der Ehe ist nur eine Zufügung zum Vertrag und daher von ihm trennbar. Das Sakrament selbst besteht einzig und allein im Eheschließungssegen.

67. Nach dem Naturrecht ist das Eheband nicht unauflöslich. In verschiedenen Fällen kann eine Ehescheidung im eigentlichen Sinn von der staatlichen Behörde gesetzlich eingesetzt werden.

68. Die Kirche hat nicht die Macht, trennende Ehehindernisse aufzustellen. Diese Macht steht der staatlichen Gewalt zu, durch welche die bestehenden Ehehindernisse aufzuheben sind.

69. Die Kirche hat erst in späteren Jahrhunderten damit begonnen, trennende Ehehindernisse einzuführen, die nicht aus eigenem Recht, sondern in der Ausübung des ihr von der staatlichen Gewalt geliehenen Rechts entstanden sind.

70. Die Canones des Konzils von Trient, welche über diejenigen den Ausschluss aus der Kirche verhängen, die die Berechtigung der Kirche zu leugnen wagen, trennende Hindernisse aufzustellen, sind entweder nicht im Glaubenssatz enthalten, oder müssen im Sinne einer angeeigneten Rechtsgewalt verstanden werden.

71. Die Tridentinische Form der Eheschließung verpflichtet nicht unter Strafe der Ungültigkeit, wenn das staatliche Gesetz eine andere Form vorschreibt und die Gültigkeit der Ehe von dieser Form abhängig macht.

72. Bonifatius VIII. hat als erster behauptet, dass das bei der Weihe abgelegte Keuschheitsgelübde die Ehe nichtig mache.

73. Durch einen rein weltlichen Vertrag kann unter Christen eine wahre Ehe zustande kommen. Es ist falsch zu behaupten, dass der Ehevertrag zwischen Christen immer ein Sakrament darstellt, oder den Vertrag als nichtig erklärt, wenn das Sakrament ausgeschlossen wird.

74. Ehesachen und Trauungen gehören ihrem Wesen nach vor das weltliche Gericht.

NB: Hierher kann man noch zwei weitere Irrtümer stellen: daß der Zölibat der Kleriker aufzuheben und dass der Ehestand dem jungfräulichen Stand vorzuziehen sei.

75. Über die Vereinbarkeit der weltlichen Herrschaft mit der geistlichen sind sich die Söhne der christlichen und katholischen Kirche uneinig.

76. Die Abschaffung der bürgerlichen Gewalt, die der Apostolische Stuhl innehat, trüge viel zur Freiheit und zum Glück der Kirche bei.

NB: Außer diesen ausdrücklich benannten Irrtümern werden noch viele weitere kraft der längst vorgelegten und entschiedenen Lehre über die bürgerliche Herrschaft des Römischen Papstes implizit zurückgewiesen, welche alle Katholiken fest bewahren müssen und die offen dargelegt wird.

77. In unserer Zeit ist es nicht mehr denkbar, dass die katholische Religion als einzige Staatsreligion anerkannt und alle anderen Arten der Gottesverehrung ausgeschlossen werden.

78. Es ist daher lobenswert, in gewissen katholischen Ländern, den Einwanderern gesetzlich die öffentliche Ausübung ihres Kultes zu garantieren.

79. Es ist falsch, dass die staatliche Freiheit für jeden Kult und die allen gewährte Befugnis, frei und öffentlich ihre Meinungen und Gedanken kundzugeben, dazu führt, Geist und Sitte der Völker zu verderben und zur Verbreitung der Seuche des Indifferentismus führen.

80. Der Römische Papst kann und muss sich mit dem Fortschritt, dem Liberalismus und der modernen Zivilisation versöhnen und vereinigen. - "Syllabus" von Papst Pius IX., 1864

Irrtum (4) Zum ersten Mal ist es mir in Rom passiert - das ist natürlich schon etliche Jahre her, damals hat diese Uniform — und noch mehr die Galauniform - die Frauen noch angelockt wie der Honigtopf die Fliegen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe meine Frau sehr gern, und meine beiden Jungen sind mir alles, aber das Angebot einer hübschen Frau habe ich noch nie abgelehnt, ich liebe sie alle. Also, die ich meine, war die Frau eines Offiziers und ein riskantes Vorhaben, aber sie war eine Schönheit, wenn auch ein paar Jahre alter als ich, eine richtige Verführerin. Es begann auf der Basis von: ›bringen Sie - holen Sie - tragen Sie‹, und ich dachte bei mir: ›Na gut, der Augenblick wird schon kommen, da ich mit dir allein bin.‹ Und er kam auch, als sie mich einmal bat, sie heimzufahren, und dann auf einen Drink ins Haus einlud. Wir waren sogar schon bis in ihr Schlafzimmer gekommen, als sie es mir eröffnete. Ich war ganz Knopfaugen und Plüschohren, bereit, die Ehre der Armee würdig zu vertreten, da dreht sie sich um und sagt: ›Leider verschwenden Sie Ihre Zeit, wenn es das ist, was Sie im Sinn haben. Nicht, daß ich etwas gegen Männer als Freunde hatte, aber sonst steh ich auf Frauen.‹ In dem Moment hätte man mich umpusten können. Heute lache ich darüber, dummer Junge, der ich damals war, aber ich kann Ihnen sagen, ich war fuchsteufelswild, fuchsteufelswild! Danach konnte sie sich einen anderen suchen, der das Holen und Tragen für sie übernahm! - Magdalen Nabb, Tod in Florenz. Zürich 1992 (zuerst 1987)

Irrtum (5)  Der menschl. Erkenntnis kann ein I., d.h. ein falsches Urteil, über die sittl. Beschaffenheit eines Verhaltens unterlaufen. Der Wille aber, dem die Sittlichkeit im eigentl. Sinn zukommt, entscheidet sich für od. gegen jene Beschaffenheit des Verhaltens, die ihm im Gewissen existentiell vergegenwärtigt wird. So sind falsche Werturteile für die Selbstgestaltung des menschl. Lebens nicht belanglos.

1. Unüberwindl. (error invincibilis) ist der I., wenn man ihn bei bestem Willen nicht ablegen kann. Ein solcher I. kann dem Menschen nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er gänzl. ohne seinen Willen da ist. Wenn unter dem Einfluß des I.s eine Entscheidung zustandekommt, ist sie so weit unwillentl. u. daher nicht anrechenbar, wie sie vom unüberwindl. I. bestimmt wird.

Am überwindl. I. (e. vincibilis), der bei einiger Sorgfalt berichtigt werden könnte, hat der Wille einigen Anteil, da er eben nicht hinreichend auf die mögl. Überwindung des I.s hinwirkt. So kann u. muß das aus überwindl. I. entsprungene Verhalten dem Menschen in gewissem Maß angerechnet werden.

2. Zum Aufkommen von Irrtümern (falschen Werturteilen) können außer der Fehlbarkeit der menschl. Erkenntnis u.a. die Erziehung, der Umgang mit Irrenden, die Massenmedien beitragen. Für eine richtige Lebensgestaltung ist es wichtig, daß sich der Mensch nicht kritiklos vom Denken anderer beherrschen läßt, sondern zu selbständiger sittl. Urteilsfähigkeit gelangt.

Falsche Ansichten, im besonderen Tatsachenurteile, die das Verhalten beeinflussen, können auch krankhaften Ursprung haben. Wenn Menschen, die im übrigen anscheinend richtig urteilen u. handeln, in einzelnen Punkten ein unbegreifl. Verhalten an den Tag legen, kann dieses Verhalten möglicherweise fixen Ideen entspringen, also Symptom seelischer Krankheit sein. Wenn dies zutrifft, sind sie für dieses Tun nicht verantwortl. - Karl Hörmann, Lexikon der christlichen Moral (1969)

Irrtum (6)  Telemach stellte sich an den Rand der Steilküste; sein Gewand fiel zu Boden, und der nackte, junge, gesunde Körper stürzte sich plötzlich in die Leere, wirbelte im Kreise, meteorhaft schnell, gleichsam ein Todesvogel, wirbelte im Kreise, bis schließlich seine auf den Felsenriffen zerschmetterten Knochen wie ein Sack vor den Wellen niederstürzten, die darob nicht einmal schluchzten. Mentor sprang zur Kante des Kliffs vor und schrie lauter als das Meer:

»Telemach, der Sohn des Odysseus, ist auf lächerliche Weise in den Tod gegangen, um zu zeigen, daß er frei ist, und sein von den Sarkasmen und der Schwerkraft bestimmter Tod ist die Verneinung eben jenes Zufalls, den er um den Preis seines Lebens bestätigen wollte.

Mit Telemach ist der Zufall zugrunde gegangen. Hier beginnt die Herrschaft der Weisheit

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, löste sich ein lockerer Felsbrocken aus dem oberen Teil der Küste und zerschmetterte wie einen einfachen Sterblichen die Göttin Minerva, die aus purer Laune die Gestalt eines Greises angenommen hatte und es nun diesem Einfall verdankte, mit einem Schlag ihre menschliche und ihre göttliche Existenz zu verlieren. Vögel zogen höhnisch über die Leichen hinweg und pfiffen Tanzmelodien. Die Winde erhoben sich voller Freude und kämmten sich mit den Zacken der Berge. Die endlich befreiten Wälder strömten zu den Behausungen der Menschen und verschlangen sie. Die Steine barsten. Die Pflanzen flogen lässig davon, als hätten sie ihr Lebtag nichts anderes getan. Die aus dem Schlaf geweckten Vulkane schauten sich über die Ozeane hinweg an, bewegten sich aufeinander zu und vereinigten sich, unter den wie Regen wohltuenden Küssen der Krater, in Lava-Liebeswonnen. Die Wasser hatten ihre Verbindung und ihren Zusammenhang verloren, sie waren nunmehr über das Universum zerstreut. Der Himmel, ein in Wahn geratener Stoff, zerriß und zeigte die unanständige Nacktheit der Planeten.

Das Firmament wurde von den Geschlechtsteilen der Lichter übersät. Das Gewölbe der Tage und Nächte verwandelte sich in Fleisch, und diejenigen unter den Menschen, die die Umwälzungen überlebt hatten, starben vor Begehren angesichts des über ihren Köpfen schwebenden schamlosen Hinterns. Der Sand der Wüsten wurde zur Schlange, öffnete - ein blitzhaftes Zusammenzucken - die Augen im Schauder der nächtlichen Samenergüsse. Die Nebelsterne trieben sich in den lachenden Landschaften herum. Die Spinnrocken tanzten und verloren dabei ihre silbrigen Haare. Die großen Rotationsmaschinen machten auf den Kieselstränden miteinander Liebe. Die Preßlufthämmer gingen allerliebst auf den Grünplätzen spazieren, und während sich die Metalle auf den Lustwiesen jaulend liebkosten, brach auf seinen Zärtlichkeitsrössern der Herrgott wie ein Verrückter in schallendes Lachen aus. - Louis Aragon, Die Abenteuer des Telemach. Frankfurt am Main 1985 (Fischer-Tb. 5879, zuerst 1922)

Irrtum (7)  Die Eigenschaften von Gewißheit variieren, je nach dem persönlichen System des Philosophen, von gewöhnlicher Gewißheit bis hin zum idealen Skeptizismus gewisser Ungewisser. Doch so beschränkt sie auch ist, zum Beispiel auf das Bewußtsein vom Sein, stellt sich Gewißheit allen ihren Erforschern mit eigenen und durchaus definierbaren Eigenschaften dar, die es erlauben, sie von Irrtum zu unterscheiden. Gewißheit ist Realität. Diesem Glaubenssatz ist der Erfolg der berühmten cartesianischen Lehre von der Evidenz zu verdanken.

Immer wieder stoßen wir auf die verheerenden Wirkungen dieser Illusion. Wohl nie stellte etwas für die Tätigkeit des Geistes ein so schwer zu umgehendes Hindernis dar wie dieser Sophismus von der Evidenz, der einer der üblichsten Dcnkgewohnhciten der Menschen entgegenkam. Sie, diese Illusion, bildet die Grundlage jeder Logik. In sie verwandelt sich jeder Beweis, den der Mensch für eine Behauptung, die er aufstellt, führt. Der Mensch folgert, indem er sich auf sie beruft. Und indem er sich auf sie beruft, zieht er seine Schlüsse. Solchermaßen hat er sich eine veränderliche, doch immer evidente Wahrheit geschaffen, und er fragt sich vergebens, warum er sich damit nicht zufriedengeben kann.

Nun gibt es ein dunkles Reich und die Augen des Menschen meiden es, weil diese Landschaft sie nicht anheimelt. Dieses Dunkel, von dem er, der Mensch, um das Licht zu beschreiben, absehen zu können meint, ist der Irrtum mit seinen unbekannten Eigenschaften, der Irrtum, der allein demjenigen, der ihn als solchen ins Auge gefaßt, von der flüchtigen Realität zu zeugen vermöchte. Wer sieht nicht ein, daß das Gesicht des Irrtums und das der Wahrheit gar keine verschiedenen Züge haben können? Irrtum geht einher mit Gewißheit. Irrtum drängt sich auf durch Evidenz. Und alles, was man von der Wahrheit sagt, kann man ebensogut vom Irrtum sagen: man wird sich nicht mehr täuschen. Es gäbe keinen Irrtum ohne das Gefühl der Evidenz. Besäße man dieses Gefühl nicht, würde man beim Irrtum nie stehenbleiben.  - (ara)
 

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