rrenarzt
Die Behandlung der Kranken war eigentlich nicht kompliziert. Nur
daß mich manchmal ein gewisses Unbehagen gepackt hat, wenn ich mich allzulange
mit ihnen beschäftigt habe. Ich habe das Gefühl nicht abschütteln können, daß
sie mich in weite Fernen mitgerissen haben, aus denen ich schwer oder am Ende
gar nicht mehr herausfinden konnte.
Ich habe mich vorsichtig am Ufer gehalten und die Grenze zu ihnen nicht überschritten.
Denn ich war immer, wie es in meiner Natur liegt, gleichmäßig freundlich zu
ihnen. Ich bin nicht ausgeglitten. Aber das quälende Gefühl, sie hätten mich
trotzdem in ihre unbekannten Gefilde gelockt, bin ich nie ganz losgeworden.
Denn es ist nicht leicht, mit ihnen immer weiter und weiter zu gehen, der Boden
ist locker! Eine gewisse Unternehmungslust ergreift einen, sich mit ihnen einzulassen,
nur um zu sehen, ob man die Kraft haben wird, seine Vernunft wiederzuerlangen.
Man spielt sogar mit der Vernunft wie die Neurastheniker mit dem Schlaf und
der guten Laune. Sogar die Vernunft wird einem zuwider. - (
reise
)
Irrenarzt (2) Sehen Sie sich
die Irrenärzte an. Sie haben sich in den Dienst des Verbrechens der Reichen
gestellt, haben nach dem Muster von Sodom und Gomorrha verkehrte Paradiese eingerichtet,
Freudenhäuser, deren Schwelle einer nur für schweres Geld überschreitet und
deren »Sesam« das Scheckbuch ist. Hier dient alles der Pflege und Entfaltung
der ausgefallensten Laster. Hier fördert die raffinierteste Wissenschaft die
Ausschweifungen Schwachsinniger und Verrückter, angesichts deren entsetzlich
moderner Vielfalt die Launen eines Ludwig II. von Bayern oder eines Marquis
de Sade Spielereien sind. Hier ist das Verbrechen die Norm. Hier ist
nichts monströs, nichts widernatürlich. Hier ist alles Menschliche fremd. Die
Prothese funktioniert in einem gummigepolsterten Schweigen. Man setzt Mastdärme
aus Silber und Schamlippen aus Chromleder ein. Die letzten gleichmacheri-schen
Nachläufer der Kommune, die Herren Doktoren Guillotin,
operieren zynisch aristokratische Nieren und Lenden. Sie haben sich zu geistigen
Lenkern des Rückenmarks eingesetzt und praktizieren kaltblütig die Laparotomie
des Bewußtseins. Sie erpressen, betrügen und sequestrieren,
sie begehen die ungeheuerlichsten Verbrechen. Mit Entziehungen und geschickter
Dosierung zwingen sie ihre Opfer zu Äther, Opium, Morphium und Kokain. Alles
basiert auf einem nach unfehlbaren Statistiken aufgestellten Schema. Man kombiniert
Duschen und Gifte, man spekuliert mit nervöser Erschöpfung und krankhafter Erregbarkeit.
Nie zuvor in der Geschichte hat es eine solche Räuberbande gegeben. Was immer
von der Inquisition und den Jesuiten
erzählt wird, reicht nicht an eine solche Virtuosität in der Kunst, die Makel
adeliger Familien auszubeuten.
- (
mora
)
Irrenarzt (3) Anhand
von nahezu hundert Beispielen aus seiner jahrzehntelangen Praxis weist der bekannte
amerikanische Irrenarzt nach, daß es sich bei den meisten Fällen geistiger Verwirrung
nicht etwa um Bewußtseinsspaltung oder dergleichen handelt, sondern um Besessenheit
durch Fremdwesen, die von dem Patienten Besitz ergriffen haben und ihm ihren
Willen aufzwingen. Indem diese Wesenheiten durch ein Medium
zum Reden gebracht werden, geben sie sich allemal als Verstorbene kund, die
sich über ihre veränderte Seinsweise nach dem Ablegen ihres irdischen Körpers
noch gar nicht klar geworden sind, und sich einbilden, nach wie vor in ihrer
gewohnten Umgebung zu leben.
-
Klappentext zu: Dr. med. Carl Wickland, Dreissig Jahre unter den Toten. Übersetzt
und herausgegeben von Dr. med. Wilh. Beyer. 6. Aufl. Remagen 1957
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