ntuspuppe Er geht auf den Strohmann zu und schneidet ihm, nicht ohne Anmut, mit der Schere die Brust auf. Ich sehe, daß der Strohmann gar nicht mit Stroh gefüllt ist, sondern mit einer schmierigen, fettigen und nachgiebigen Masse. Der .Scharlatan schiebt sie mit seinen zarten Händen zur Seite und führt die Puppe ein. Dann bedeckt er sie mit der genannten Materie. Schließlich fügt er die Hautlappen wieder zusammen und verschweißt sie mit einer Art Harz. Ich sehe nicht, woher er das Harz nimmt. Vielleicht sondern seine Finger es ab. Ich blicke dem Strohmann ins Gesicht; es verrät keinen Schmerz aber ein tonloses Entsetzen. Ich weiß, daß die Operation noch nicht beendet ist.
Der Scharlatan faßt den Strohmann am Arm und führt ihn zu mir her. Ich sehe, daß dieser merkwürdige Apparat laufen kann. Er kommt auf mich zu, bleibt aber nicht stehen. Und ich und ich sind jetzt ein einziges Ding. Ich spüre, wie die Puppe sich in meinem Unterleib einen Platz zurechtmacht, wo sie - vielleicht für lange - bleiben kann.
Ich öffne die Augen, die Puppe ist noch immer in meinem Körper. Lachend flüstere ich mir zu: ich bin schwanger. Etwas sagt mir, daß manche Schwangerschaften ewig dauern können, auch wenn sie enden. Die Schwangerschaft ist ein unauslöschliches Siegel. Ich frage mich, ob ich nicht, außer mein eigener Dämon zu sein, noch einen weiteren Dämon aufgenommen habe. Wir sind jetzt das Rudiment einer Familie.
»Ich wünsche nicht geboren zu werden«, sagt eine Stimme, in der ich, obwohl ich sie noch nie gehört habe, die Stimme der Puppe erkenne. »Ich wünsche, lange in deinem Körper zu bleiben. Du bist warm.«
Die Puppe bewegt sich. Ich spüre, wie sie mit ihren winzigen Händen ein Stückchen Fleisch packt und es abreißt und verzehrt; an dieser Stelle meines Körpers flammt ein ebenso schrecklicher wie flüchtiger Schmerz auf. Dann uriniert die Puppe in mir. Ich höre, wie sie mit sich selbst brabbelt. Dann spreizt sie ihre steifen Beine und entleert ihren Darm. Als Nahrungsspender und Latrine meiner Puppe erfülle ich eine Funktion, in der ich gleichzeitig einen gewissen Frieden finde und ein Verhängnis ahne. Ich bin zwar sicher, daß Ereignisse dieser Art nur in der Hölle stattfinden können, aber das verschiebt nur das Problem, sonst nichts, zumal es mir nicht gelingt herauszufinden, ob ich nicht selbst die Hölle bin und die Hölle folglich in meinen Geschehnissen besteht. die Hölle folglich in meinen Geschehnissen besteht. Später werde ich mit der Puppe sprechen. Gerade beginnt eine neue Verhandlung.
Ich wende mich tatsächlich an meine Intuspuppe und beginne eine scharfsinnig
schlüssige Rede. Meine Themen sind a) juristisch, b) moralisch, c) sozial, d)
ästhetisch, e) theologisch. Ich räuspere mich und beginne mit den rein juristischen
Argumenten. Die Puppe, behaupte ich, hat keinerlei Recht; meinen inneren Raum
zu besetzen, und die Nahrung, die sie aus meinen Eingeweiden zieht, ist glatter
Diebstahl. Die Puppe antwortet, sie habe nie behauptet, irgendein Recht im engeren
Sinn des Wortes zu besitzen, genieße aber mittlerweile ein Nutzungsrecht, da
an diesem Ort jegliches Zeitfragment jedwede Dauer habe, die man ihm zumesse.
Im übrigen sei nicht auszuschließen, daß sie, die Puppe, als die Genötigte gelten
könne, da sie an einem dunklen und unbekannten Ort festgehalten werde, weshalb
sie sich auch wegen Beschlagnahme beschweren könnte - ein Mißgeschick, auf dem
sie jedoch nicht zu beharren gedenke, da sie nicht sehe, wer aufgrund welchen
Erlasses oder Urteils einschreiten könnte, um sie zu befreien. Sie belasse es
deshalb dabei, sich als Opfer zu betrachten, dem als Entschädigung das Recht
zustehe, im Namen einer geheimen Wiedergutmachung in unregelmäßigen Abständen
Grausamkeiten zu begehen. Was die Eingeweide betreffe von denen sie sich
zugegebenermaßen ernähre und die sie als gastronomisch ziemlich minderwertig
betrachte, so sei sie überzeugt davon, sie mit ihrem Kot zu bezahlen, dem sie
nicht zu Unrecht, wie sie annehme, einen hohen Handelswert zumesse, wobei man
es nicht ihr zur Last legen könne, wenn sich in der Umgebung, in der sie sich
aufhalte, kein Handel damit ergebe. Im übrigen verpflichte sie sich, mir ihren
Kot vollständig und in philologisch einwandfreiem Zustand zu übergeben. Ich
wende ein, daß es unmoralisch sei, einer fremden Person zur Last zu fallen,
welche zwar milde und hilfsbereit sei, aber jedem Unterschleif abhold. Durch
das Fehlen einer präzisen juristischen Norm, füge ich hinzu, die unsere gegenseitigen
Pflichten und Rechte genau festlegt, müsse unser Zusammenleben in den Augen
der Gesellschaft notgedrungen in einem schiefen Licht erscheinen, während der
Mangel eines erklärten Gefühls-Syndroms uns unausweichlich als zwei grollende
Lebensgefährten zeige - zwei, ich betone: intime Fremde. Die Puppe antwortet
mir, daß ihre Lage als Gefangene sie vor jeder hämischen Verunglimpfung schütze,
daß sie unsere Beziehung nicht auf eine emotionale Basis stellen würde, sondern
sie eher als einen freilich nicht symbioseunfähigen Einzelfall betrachte, der
biologisch, psychisch und ökonomisch durchaus zu rechtfertigen sei, aber in
keiner "Weise emotional; daß wir sicherlich intime Fremde seien, eine Bedingung,
die ihr indes besonders aufregend erscheine, da sie Alleinsein und Zusammenleben,
Ferne und Durchdringung, aktives und passives Besitzen vereine, ein Umstand,
der ihr intellektuell sehr subtil vorkomme, auch wenn sie keine spezifisch philosophischen
Ambitionen hege. Ich erwidere ihr leise, daß in unserem Fall die Unmöglichkeit
eines Ehebruchs den freien Genuß unseres pervertierten, invertierten und introvertierten
Ehebündnisses beträchtlich einschränke. Als Antwort erhalte ich ein zweideutiges
Kichern. - (
hoelle
)
Intuspuppe (2) Ich habe bisweilen
gehofft, daß die Verwandlungen, denen ich ausgesetzt
bin, meine Lage verändern könnten, so daß ich besser fähig sein würde, mich
ihr als paritätischen Gefährten oder Foltergenossen anzubieten; aber aufgrund
der Regeln, welche die Ausmaße verschleiern, die sie von Mal zu Mal annimmt,
ändert sich unsere Beziehung nicht; so hat sie, nachdem ich ein Fuß geworden
war, die Gelegenheit wahrgenommen, um auf die Innenseite jedes meiner Fußnägel
Botschaften zu schreiben, während das neugotische Schloß einfach in Richtung
meiner Ferse versetzt wurde. Ich kann die Besagte nicht als Schmarotzerin bezeichnen
- eine Lage, die ich an mir selbst erprobt habe. Sie ist tatsächlich weder Schuldnerin
noch Verwalterin meines Körpers, den sie im Gegenteil dirigiert und malträtiert,
nicht ohne einige Anzeichen von Tyrannei, der ich mich nicht zu widersetzen
wage, ja die mir sogar lieb ist, denn wenn es wahr ist, daß ich ihr Opfer bin,
dann ist es auch wahr, daß diese Blutschwärmerin nur in mir das geeignete Opfer
für ihre kunstvollen und gelehrten Torturen finden konnte. Trotzdem die Besagte
sich also von dem ernährt, was von einer gänzlich zunichte gemachten Körpersubstanz
noch übrig ist; trotzdem sie mich als Toilette benützt und in mir ihre Fäkalien
defäziert; trotzdem sie ad libitum jedweden Teil jener Höhle bewohnt, die meinen
mittlerweile verblaßten Namen trägt, und trotzdem sie in mir ihr Universum hat,
zumal ich - womöglich aufgrund ihrer klösterlichen Ergebenheit - und nenne ich
sie denn nicht mein Nagel-nönnchen? - oder durch den Zwang unseres wechselseitigen
Schicksals - und nenne ich sie denn nicht meine Schicksalsträgerin? - oder wegen
ihrer Vorliebe für die dunkle und modrige Welt, die sie in mir findet - und
nenne ich sie denn nicht meine kleine Faulbrutfliege? - trotz alledem kann ich
nicht leugnen, daß ich zu der endgültigen Überzeugung gelangt bin, selbst ein
Schmarotzer der Besagten zu sein, den sie als Schmarotzer manegiert und manipuliert.
Während ich diesen zärtlichen und zermürbenden Gedanken nachhänge, gewahre ich
mich verwandelt; ich bin jetzt ein Tourist, oder besser gesagt, ein Schwärm
von Touristen, mit Hütchen, geblümten Hemden und umgehängten Kameras. Leise
flüstere ich mir zu: du bist ein Höllenpendler. - (
hoelle
)
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