ntelligenzbestie   Kurios das Ganze. Die Menschen dünsteten den Zeitgeist aus, nur roch der eine penetranter danach als der andere. Und Eugen hörte dem Maler Knöller zu, der erzählte, wie er im Krieg zur Gestapo vorgeladen worden war, weil er gesagt hatte, die Russen seien schon in Charkow. - »Wie kommen Sie dazu, so etwas zu behaupten? Das ist Wehrkraftzersetzung!« hatte ihn der Beamte angefahren, doch hatte Knöller geantwortet: »Dann betreiben die im OKW Wehrkraftzersetzung.« - »Wieso? Sind Sie verrückt?« -»Es steht doch im Wehrmachtsbericht!« - »Wo?« und der andere warf die Zeitung auf den Tisch, die Knöller sorgsam auseinanderfaltete und den Satz vorlas, »westlich Charkow« stünden unsere Truppen in schweren Abwehrkämpfen mit starken feindlichen Verbänden. Danach war er von dem Gestapomann als »Intelligenzbestie« bezeichnet worden.  - Hermann Lenz, Ein Fremdling. Frankfurt am Main 1988 (st 1491, zuerst 1983)

Intelligenzbestie (2) Die Intelligenzbestien unter den Arachniden sind die Springspinnen. Sie spinnen keine Netze, sondern streifen zur Jagd umher, lauern ihrer Beute auf oder schleichen sich an, und erwischen sie dann mit dem namensgebenden Sprung. Einen Spinnfaden nutzen sie dabei nur zur Selbstsicherung.

Diese Lebensweise verlangt Flexibilität, und tatsächlich zeigen Springspinnen diese Eigenschaft. Je nachdem, auf welche Beute sie gerade aus sind, passen sie ihre Strategie an: Große Beute greifen sie nur von hinten an, kleinere hingegen von jeder Richtung; schnelle Beute jagen sie, schleichen sich an unbewegliche hingegen an.

Die vielleicht beeindruckendste Intelligenzleistung vollbringen Springspinnen der Art Portia fimbriata. Diese Tiere haben es auf eine besondere und heikle Beute abgesehen: andere Spinnen, nämlich Radnetzspinnen. Das offensichtliche Problem dabei ist, dass Radnetzspinnen jede Bewegung in ihren Netzen ständig hochsensibel überwachen und es somit unmöglich ist, sich an sie anzuschleichen. Einige Portia-Arten lösen dieses Problem, indem sie die Vibrationen gefangener Beute nachahmen und so die Netzinhaberin herbeilocken, um sie dann zu töten. Andere, indem sie auf einen Windstoß warten, der ihre Bewegungen maskiert, oder das Netz selbst so stark schütteln wie ein Luftstoß. Aber bei der hochnervösen australischen Spinne Argiope appensa funktioniert das alles nicht. Und ein Sturmangriff wäre gegen die wehrhafte Gegnerin vermutlich nicht ratsam.

Was also tut Portia? Wenn sie eine mögliche Beute erspäht, vollbringt sie umgehend die erste beachtliche kognitive Leistung, der weitere folgen werden: Sie rennt nicht drauflos, sondern verharrt und plant. Und zwar schaut sie sich um, wo es einen Ast über der Beutespinne gibt, und wie sie dorthin kommt. Dann begibt sie sich dorthin, was impliziert, sich von der Beute zu entfernen. Von der Stelle über ihrer Beute lässt sie sich dann mit einem Spinnfaden ab und schlägt zu.

Dazu braucht die Springspinne also eine Impulskontrolle, wie man sie selbst bei vielen Vögeln und Säugetieren nicht findet. Weiterhin eine dreidimensionale Repräsentation ihrer Umwelt, die genau genug ist, um virtuell das Lot über ihrer Beute zu fällen. Dann die Fähigkeit, sich den angepeilten Ort und den Weg dahin so lange zu merken, bis sie dort ist. - Chapeau!  - Konrad Lehmann, Achtbeinige Genies. Telepolis vom 24. März 2019

Intelligenz

 

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