ntellektuelle Die Intellektuellen hatten ihre eigene Geschichte sich geschrieben und bluffend
darin sich heroisiert. Ein lärmender Reklamebetrieb war aufgezogen, um die Käufer
von der Notwendigkeit und Bedeutung der geistigen Produkte zu überzeugen. Wir
verweisen auf diese verfälschte Geschichtsschreibung, worin die Intellektuellen
einen schamlosen Geniekult, ihre eigene Vergottung
propagierten. Die zerebralen Primadonnen hatten sich zu Stellvertretern der
Götter und Fetische aufgedonnert
und die ihnen nützliche Anbetung inszeniert. Die Intellektuellen hatten die
Historie der wundersamen Ausnahmen erdichtet. Man verbarg die Einwirkung des
Milieus und verhüllte die gewichtige Gewalt der namenlosen Leistungen. Um jeden
Preis wollte man den dreisten Mythos vom unbedingten
Genie und das Dogma vom Primat des Geistes
durchsetzen. Die Intellektuellen eskamotierten ihre geschichtliche wie milieuhafte
Bedingtheit. Die tieflagernden menschlichen Voraussetzungen, denen das Kunstwerk
seine Existenz verdankte, wurden in stummes Dunkel verschoben. Somit ertrügte
man eine Geschichte der blendenden Wunder. Die generellen, also die menschlich
zusammenfließenden (verbindenden) Kräfte wurden verdeckt, um den asocialen Mythos
vom hermetisch abgesperrten Visionär zu erstapeln.
Man verbarg, daß der größte Teil der erheblichen Kunstleistungen anonym erarbeitet
und von Kollektiven gebildet war. Die Historiker hatten die blendende Geschichte
der abrupten Mirakel gedichtet und verheimlicht, daß die individuell unternommenen
und geglückten Kunstwerke äußerst selten sind und Ausnahmen darstellen.
Starke Kulturen zeichnen sich durch ein erhebliches, doch ins Breite strömendes Niveau aus und sind durch einen allgemein verbindlichen Stil beherrscht, der die Schwächeren stützt, (doch) die Fessellosen begrenzt. Jeder große Stil diente einer bedeutenden allgemeinen Ordnung (und war aktuell). Die meisten Kunstwerke von heute sind dadurch gekennzeichnet, daß sie den entscheidenden Kräften feindlich oder gleichgültig gegenüberstehen.
Die Schwäche der heutigen Moderne erweist sich hieraus, daß sie kaum mittlere Leistungen mit Gewicht erzeugen konnte. Die bestehende Gesellschaft vermochte die Kunst in kein breiteres Milieu einzuordnen, und somit strebte Einjeder ins ungebunden Außerordentliche. Diese Tatsache beleuchtet die abrupte Künstlichkeit der Moderne, die keiner verpflichtenden Kultur eingefügt ist.
Die Intellektuellen wagten scheinbar tollkühne Experimente; doch diese waren im leeren Raum geturnt. Solche Akrobatie war gefahrlos, da die Künstler nur im Ästhetischen experimentierten. Sie hatten «neueste Dinge» gezeichnet, doch den Anschluß an die Wirklichkeit oder tatsächliche Aktualität eingebüßt. Darum blieb die Moderne folgenlos und wirkte kaum auf die tatsächlichen Zustände ein.
Artisten werden nie große Geschichte machen. Der moderne Betrieb wird absterben,
da er des lebendigen Materials ermangelt. Früher hatte die Kunst bescheiden
gedient, Typen zu verfestigen, bedeutende Übereinkünfte und menschliche Standards
zu verteidigen. Die Moderne von heute wird vergehen, da sie der socialen Bindung
und Normierung ermangelt. Diese Kunst wird an autistischer Überzüchtung und
spielerischer Abgespaltenheit zugrunde gehen. - Carl Einstein, Die Fabrikation
der Fiktionen. Eine Verteidigung des
Wirklich
en. Reinbek bei Hamburg 1973 (dnb
17, entst. um 1935)
Intellektuelle (2) »David Angkatell?«
»Ja. Er ist von Oxford da - oder vielleicht auch Cambridge. In seinem Alter
sind junge Leute so schwierig - vor allem Intellektuelle. Und David ist sehr
intellektuell. Ich wünschte, sie könnten es aufschieben, bis sie älter sind.
Sie sehen einen immer so düster an und beißen Fingernägel und haben so viele
Pickel und manchmal auch noch einen Adamsapfel. Entweder sie reden überhaupt
nicht, oder sie sind sehr laut und widersprechen ständig. Aber wie ich schon
sagte, ich baue da ganz auf Henrietta. Sie ist sehr taktvoll und stellt immer
die richtigen Fragen, und weil sie Bildhauerin ist, respektiert man sie. Schließlich
macht sie nicht nur Tiere oder Kinderköpfe, sondern fortschrittlichere Sachen
- zum Beispiel dieses komische Gebilde aus Metall und Mörtel, das sie letztes
Jahr ausstellte. Es erinnerte mich an eine Leiter von Heath Robinson. Sie nannte
es ›Aufsteigender Gedanke‹ oder so ähnlich. Genau das Richtige, um einen jungen
Mann wie David zu beeindrucken. Ich persönlich fand es einfach dumm.« - Agatha Christie, Das Eulenhaus. München 1990 (Orig.
"The Hollow", zuerst 1946
Intellektuelle (3) Sie setzten sich zum Ofen. Eugen schaute nach, wie's brannte, und da lag die Glut bereits am Ofenboden. Er legte Tannenscheite nach, und plötzlich ging es wieder an, ein Knacken und ein Krachen. Machte das Ofentürchen zu und stellte die Klappe am Rohr auf halb.
Der Wirt erschien und schaute in den Ofen; er sagte: »Da ham die Spezialisten
also nachgelegt.« Der war froh, daß das Feuer nicht ausgegangen war, und Eugen
fühlte sich gelobt. Als Intellektüller, wie deine Schwester sagen würde, freust
du dich, wenn ein handfester Kerl dein praktisches Gefühl lobt, und sei's als
Heizer. - Hermann Lenz, Herbstlicht. Frankfurt
am Main 2000
Intellektuelle (4)
Intellektuelle (5)
Intellektueller (6)
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