nstitut Ich
war in eine Art von Anstalt und Institut hineingekommen, in einen Sonderbund,
in eine verriegelte, unnatürliche Absonderung, welche von höchst kalten
und höchst eigentümlichen Verordnungen regiert wurde. Elend war mir zumute,
und eiskalter Schauder rieselte mir durch die entsetzte, angsterfüllte Seele,
die sich vergeblich sehnte, ein Verständnis zu finden. Alles war mir unverständlich,
doch das Grausamste war, daß sie nur über die Ratlosigkeit und Hilflosigkeit
lächelten, in der sie mich sahen. Nach allen Seiten schaute ich mich mit flehenden
Augen um, damit ich ein freundliches Auge sähe, doch ich sah nur den offenen
mitleidlosen Hohn mich mit seinen Blicken messen. Alle, die da waren, musterten
mich auf so sonderbare Weise, auf so rätselhafte Weise. Meine Angst vor der
ringsum herrschenden Ordnung, deren Wesen mich mit Grauen erfüllte, wurde von
Minute zu Minute größer, und mit ihr vergrößerte sich die Unfähigkeit, die ich
offenbarte, mich in die seltsamen, absonderlichen Verhältnisse zu schicken.
Deutlich erinnere ich mich, wie ich bald zu diesem, bald zu jenem Beamten in
kummervoller, bittender Tonart sagte, daß ich »alles das«, so drückte ich mich
in der höchsten Herzbeklemmung aus, ja ganz und gar nicht verstehe, und daß
man mich doch lieber hinaus in die Welt ziehen lassen wolle, damit ich meinen
Mut und meinen angeborenen Geist wiederfände. Doch statt mir zu antworten, zuckten
sie nur die Achseln, liefen hin und her, zeigten sich sehr in Anspruch genommen,
gaben mir zu verstehen, daß sie keine Zeit hätten, sich näher mit
mir und mit meinem Unglück zu beschäftigen, und ließen mich in all der unaussprechlichen,
fürchterlichen Bestürzung stehen. Augenscheinlich paßte ich gar nicht zu ihnen.
Warum denn nun war ich zu ihnen hineingekommen in diese enge und kalte Umgrenzung?
Durch viele Zimmer und Nebenzimmer tastete ich mich; ich schwankte hin und her
wie ein Verlorener. Mir war, als sei ich im Begriff, in dem Meer der Befremdung
zu ertrinken. Freundschaft, Liebe und Wärme waren verwandelt in Haß, Verrat
und Tücke, und das Mitempfinden schien gestorben seit tausend Jahren oder schien
in unendliche Entfernungen gestoßen. Eine Klage wagte ich nicht zu äußern. Ich
hatte zu keinem, zu keinem dieser unverständlichen Menschen ein Vertrauen. Jeder
hatte seine strenge, enge, stumpfe, wohlabgemessene Beschäftigung, und darüber
hinaus stierte er wie in eine grenzenlose Leere. Ohne Erbarmen mit sich selber
kannten sie auch kein Erbarmen mit einem andern. Tot, wie sie waren, setzten
sie nur Tote voraus. -
Robert Walser, nach: Deutsche Parabeln. Hg. Josef Billen. Stuttgart 2001 (Reclam
7761)
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