nstantaneismus Dadaismus, Instantaneismus 391
Zeitung des Instantaneismus
Für einige Zeit
Der Instantaneismus ist ein außergewöhnliches zynisches und undezentes Wesen
Die
einzige Bewegung ist die unaufhörliche Bewegung! Der Instantaneismus: ist für
die, die etwas zu sagen haben.
Es gibt nur eine Bewegung, das ist die unaufhörliche
Bewegung!
In seiner nächsten Ausgabe wird »391« eine Liste der ersten Instanteisten, außergewöhnlicher Menschen, geben.
Der Instantaneismus: will kein Gestern.
Der Instantaneismus: will kein
Morgen.
Der Instantaneismus: macht Luftsprünge.
Der Instantaneismus: macht
Flatterbewegungen.
Der Instantaneismus: will keine großen Menschen.
Der
Instantaneismus: glaubt nur an Heute.
Der Instantaneismus: will die Freiheit
für Alle.
Der Instantaneismus: glaubt nur an das Leben.
Der Instantaneismus:
glaubt nur an die unaufhörliche Bewegung.
Instantaneismus
Die Bankiers sind Künstler und die Künstler sind Bankiers; die Krämer sind Literaten und die Literaten Krämer; der Film, das ist Theater, und das Theater ist Film; die Ärzte sind Kranke und die Kranken Ärzte. Die Ärzte geben uns ihre ansteckenden Krankheiten weiter, sowie das Theater leider auf den Film seine alten Übel übertragen hat. Für den Film ist das Theater das, was die Kerze für die elektrische Lampe, der Esel für das Auto und der Papierdrache für das Flugzeug ist.
Meiner Meinung nach muß man das vergessen, was gestern gemacht worden ist - um die ehrbare Vergangenheit zu betrachten, genügt wohl unser Hinterteil! Das Publikum liebt den Film, es liebt ihn aus Überdruß vor dem Theater und der Banalität des Lebens immer mehr. Wenn wir die Schwachsinnigkeit der Politik und die unnütze Grausamkeit der Kriege verlassen, erscheint unser heutiges Leben tatsächlich schrecklich traurig und eintönig; die Liebe selbst als der einzige uns übriggebliebene Glaube wird für die meisten immer mehr zu einer Frage des Geldes, und bald gibt es nur noch die »Lebemänner«, die sich keine Gedanken darüber machen, da diese Leute das Leben lieben und den Taumel des Bakarrats der Plattheit der Sparkasse und der Crédit-Lyonnais-Bank vorziehen.
Auch der Film sollte uns in einen Taumel versetzen und eine Art künstliches Paradies sein, indem er in uns mächtige Empfindungen hervorruft, die über das looping the loop mit dem Flugzeug und die Freuden des Opiums hinausgehen. Dafür sollte er in die Richtung der spontanen Erfindung gehen, die immer lebendiger ist als die Dummheit einer schönen Photographie, dank der es unglücklichen Schauspielern sogar gelingt, durch die offizielle Konvention wieder ans Licht gezogenen Wachsfiguren aus dem Musée Grevin zu ähneln...
Der Film soll keine Imitation, sondern eine vielsagende Aufforderung sein, so schnell wie das Denken in unserem Gehirn, das uns von Kuba nach Becon-les-Bruyères versetzen, auf ein wild gewordenes Pferd oder vom Eiffelturm hinabspringen lassen ... während wir Radieschen essen! Der Film, bei dem wir zwei bis drei Stunden sitzenbleiben müssen, um die Liebesgeschichte eines sittsamen Mädchens und eines wohlerzogenen Literaten und Zuhälters erzählt zu bekommen, oder irgendeine religiöse, militärische oder politische Prozession im Regen oder einen umwölkten Sonnenuntergang, - dieser Film ist ein dürres Blatt, sprechen wir nicht mehr darüber, er ist eine bloße Wandlung der Zauberlaterne. Der Film beginnt, er beginnt mit Leuten wie René Clair, der all das neue Mögliche gesehen hat, oder wie Daven, der ein wertvoller Gehilfe sein wird. Ich hoffe, daß es uns zu fünft oder sechst (und um so besser, wenn wir mehr sind) gelingen wird, Filme zu machen, die weder amerikanisch noch norwegisch oder französisch, sondern international sind - ich meine damit Filme, die all die Wandlungen unserer Epoche, ihre Wünsche und Bedürfnisse zum Ausdruck bringen. Man geht nicht ins Kino, um dort seinen Nachttisch, seine Pantoffeln, seine Köchin oder sein Scheckbuch wiederzufinden, sondern im Gegenteil um all das möglichst zu vergessen und sich so die unerläßliche Erholung zu gönnen, die nur Zerstreuung und Lachen geben können.
In Amerika hat es viele unterhaltende Filme gegeben, in Frankreich nur sehr wenige; Deutschland hat uns als ein Meisterwerk »Das Kabinett des Dr. Caligari« vorgeführt - meines Erachtens ein völlig schwachsinniger Film. In Spanien und in Italien verfilmt man nur Messer-, Schwindsucht- und Giftgeschichten - schrecklich langweilig das alles!
Es scheint mir aber, ich habe genug gesagt! Um verstanden zu werden, ist
es immer noch am besten, etwas zu zeigen: auf die Gefahr hin also, man halte
das für Werbung, zögere ich nicht, alle diejenigen, die sich für den Film interessieren,
aufzufordern, ins Theâtre des Champs-Elysées zu gehen, um sich den Film »Entr'acte«
anzusehen, der mitten im Ballett »Relâche« gezeigt wird. - Francis Picabia, nach: Manifeste und Proklamationen
der europäischen Avantgarde (1909-1938). Hg. Wolfgang Asholt, Walter Fähnders.
Stuttgart Weimar 1995
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