nspektion
Unter den Wrangel-Anekdoten sind Fontane, wie sich versteht,
die am liebsten, die in Ruppin angesiedelt sind - obwohl die Pflicht des Historikers
ihm abzwingt zu sagen: auch andere Städte werden genannt. Und Gelegenheit, sie
zu erzählen, muß einer seiner ›Helden‹, etwa einer aus dem Geschlecht der letzten
Schloßherren auf Liebenberg in den »Fünf Schlössern«, haben, der Graf Philipp
zu Eulenburg-Hertefeld etwa, der als Wrangels Adjutant diesen schon darin zu
vertreten gehabt hatte, daß er ihn in die Schlacht schickte, als ginge es darum,
statt seiner zu sterben. Da beginnt der Ernst des Delegationsprinzips. Dessen
heitere Seite, jenseits der dänischen Campagne, spielte sich eben in Ruppin
bei der Inspektion der Truppe ab, die dort in Garnison lag. Die Ruppiner hatten
ihren Jungfrauenflor in drei Gliedern aufgestellt: Die hübschesten natürlich
in der Front. Wrangel küßte die ganze Frontreihe durch und sagte dann, auf den
Rest deutend: »Eule, küsse weiter«. - (
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Inspektion (2) Er hatte der englischen Majestät ewige Treue geschworen; seine Majestät hatte ihn pensionieren lassen. Er stand nur noch im Dienste des französischen Weines. Um Viertel nach fünf begann seine tägliche Trinktour, sie war ebenso zeitlich wie räumlich festgelegt. Der Oberst hatte in seinem Hotelzimmer einen Plan von Lagues aufgehängt; darauf war jedes Bistro eingetragen und mit einer farbigen Stecknadel gekennzeichnet: seine Bereitschaftsstellungen; die Trinktour selber nannte er Inspektion. Und diese Inspektion führte ihn von seinem Hotel zum ›Manoir‹, vom ›Manoir‹ zu ›Chez Theo‹, von ›Chez Théo‹ in das ›Tabac‹, vom ›Tabac‹ zu ›Chez Eliane‹ und von ›Chez Eliane‹ zu ›Chez Jimmy‹ und von ›Chez Jimmy‹ zu ›Chez Suzy‹ und von ›Chez Suzy‹ zu ›Chez Peluche‹ und von ›Chez Peluche‹ nach Hause.
Er hatte diesen Weg festgelegt, indem er seiner Trunkenheit, die sich im Laufe des Abends steigerte, Rechnung trug. Es begann mit den Bistros, die tiefer als sein Hotel lagen, weil es nachher noch zu steigen galt, und es endete mit den Restaurants und Bars, die höher als sein Hotel lagen, so daß er in seinem Rausch nur noch bergab zu gehen hatte. Er hatte sich ausgerechnet, wie viele Gläser er sich auf seiner Inspektion bei jeder Stellung erlauben durfte, um am Ende wohl betrunken, aber nicht so schwer betrunken zu sein, daß er die Hoteltür nicht mehr gefunden hätte. Als er seine Selbstdisziplin einmal vergaß, setzte er sich zur Strafe für vier Tage auf Wasser; doch erließ er sich nach dem ersten Tag die Hälfte der Strafe wegen guter Führung.
Kam es trotzdem wieder vor, daß er vor dem Hoteleingang auf den Knien lag,
und traf ihn jemand, dann tastete er den Boden ab und flüsterte, er suche sein
verlorenes Krokodil. -
Hugo Loetscher, Der Oberst. In: H. L., Der Buckel. Zürich 2004
Inspektion (3)
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