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Am nächsten Vormittag stieß ich auf einen Fluß und ich nahm
an, daß es der Inn war. Drüben sah ich meine Mutter in einem goldenen Dirndl
mit türkischem Muster ein weißes Damenrad schieben. Ich fragte mich, ob ich
mich zu erkennen geben sollte, und schwieg. Einmal sah ich schwarze Panzer auf
meiner Seite, sie waren zusammengesunken wie alte Pilze. Dann traute ich meinen
Augen nicht: eine grüne Anhöhe mit vier Menschen und zwei Schafen. Zwei stritten
sich um die Schafe. Offensichtlich wollte ein jeder zu seinem Tier das des anderen,
denn mit Recht ergab ein Tier keine Herde, mit der einer der beiden zum Schäfer
geworden wäre. Die Polizisten sahen zu. Als die Schäferanwärter aufeinander
losgingen mit Steinbrocken über den Köpfen, erschossen die beiden Polizisten
die Schafe. Daraufhin warfen die geprellten Schäferaspiranten die Steine gegen
die Polizei und ein Polizist sank tot nieder, der andere hatte nur ein Bein
zermalmt, und er erschoß beide Schäfer, Der verwundete Polizist war jung und
wußte sicher nicht, was er tat, indem er diesen Beruf ausübte. Ich schlug ihn
von hinten ohnmächtig, säbelte ihm das Bein vom Leib, zog Über den Stumpf die
Haut und vernähte sie mit einem Knochen und einer Sehne, die ich aus einem Schafsbein
genommen hatte. Aber als ich in seiner Leiste seine Krawatte löste, mit der
ich das Blut abgebunden hatte, spritzte aus allen Nähten das Blut. Als er noch
zu sich kam, sah er mich nicht und starb in Grauen. Wer weiß wie geschwätzig
er gewesen wäre.
- Herbert Achternbusch, Die Stunde des
Todes. Frankfurt am Main 1975
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