nnnenwelt Ich
hatte eine innre Welt und geheime Fähigkeiten, Sinne, mit denen ich in ihr lebte;
mein Auge sah deutlich große Erscheinungen, so wie ich es zumachte; – ich sah
die Himmelskugel, sie drehte sich vor mir in unermeßlicher Größe um, so daß
ich ihre Gesetze nicht sah, aber doch eine Empfindung von ihrer Rundung hatte;
das Sternenheer zog auf dunklem Grund an mir vorüber, die Sterne tanzten in
reinen geistigen Figuren, die ich als Geist begriff; es stellten sich Monumente
auf von Säulen und Gestalten, hinter denen die Sterne wegzogen; die Sterne tauchten
unter in einem Meer von Farben; es blühten Blumen auf, sie wuchsen empor bis
in die Höhe; ferne goldne Schatten deckten sie vor einem höheren weißen Licht,
und so zog in dieser Innenwelt eine Erscheinung nach der anderen herauf; dabei
fühlten meine Ohren ein feines silbernes Klingen, allmählich wurde es ein Schall,
der größer war und gewaltiger, je länger ich ihm lauschte, ich freute mich,
denn es stärkte mich, es stärkte meinen Geist, diesen großen Ton in meinem Gehör
zu beherbergen; öffnete ich die Augen, so war alles nichts, so war alles ruhig,
und ich empfand keine Störung, nur konnte ich die sogenannte wirkliche Welt,
in der die andern Menschen sich auch zu befinden behaupten, nicht mehr von dieser
Traum- oder Phantasiewelt unterscheiden; ich wußte nicht, welche Wachen oder
Schlafen war, ja zuletzt glaubte ich immer mehr, daß ich das gewöhnliche Leben
nur träume, und ich muß es noch heute unentschieden lassen, und werde nach Jahren
noch daran zweifeln; dieses Schweben und Fliegen
war mir gar zu gewiß; ich war innerlich stolz darauf und freute mich dieses
Bewußtseins; ein einziger elastischer Druck mit der Spitze der Fußzehen – und
ich war in Lüften; ich schwebte leise und anmutig zwei, drei Fuß über der Erde,
aber ich berührte sie gleich wieder und flog wieder auf – und schwebte auf die
Seite, von da wieder zurück; so tanzte ich im Garten im Mondschein hin und her,
zu meinem unaussprechlichen Vergnügen; ich schwebte über die Treppen herab oder
herauf, zuweilen hob ich mich zur Höhe der niedern Baumäste und schwirrte zwischen
den Zweigen dahin; morgens erwachte ich in meinem Bett mit dem Bewußtsein, daß
ich fliegen könne, am Tag aber vergaß ich's. - Bettine von Arnim an Frau Rat Goethe
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