nhalieren, Falsches    «Manchmal ganz nützlich, wenn man ein schlechtes Gedächtnis hat», meinte Puck, setzte sich in Adrians Chefsessel und holte einen Joint von etwas mehr als üblicher Größe hervor, der nach Docs Eindruck wahrscheinlich mit einem E-Z-Wider-Papier gedreht war. Puck zündete ihn an, nahm einen langen Zug und reichte ihn Doc, der ihn, ohne zu überlegen, nahm und inhalierte. Erst als es viel zu spät war, dämmerte ihm, dass Puck nach jahrelangem regelmäßigem Besuch einer Ninja-Schule in Boyle Heights ein Meister in der Kunst des sogenannten Falschen Inhalierens geworden war, was es ihm ermöglichte, den Eindruck zu erwecken, als rauchte er denselben Joint wie das von ihm ausgeguckte Opfer, und Doc so in dem Glauben zu wiegen, der Stoff wäre okay, wo er doch in Wirklichkeit mit genügend PCP versetzt war, um einen Elefanten umzuhauen, was zweifellos auch Parke-Davis' ursprüngliche Absicht gewesen war, als das Zeug erfunden wurde.

«Acid bittet dich zur Tür herein», wie Denis gern sagte -«PCP dagegen macht sie auf, schubst dich durch, knallt sie hinter dir zu und schließt ab.»

Nach einer Weile stellt Doc fest, dass er auf der Straße, vielleicht auch in einem langen Korridor, neben sich selbst herläuft. «Hü», sagt Doc.

«Wow!», erwidert Doc, «du siehst genauso aus wie im Spiegel !»

«Irre, weil du siehst nach überhaupt nichts aus, Mann, du bist nämlich unsichtbar!», womit eine klassische und, den Faktor des User-Gedächtnisses einmal außer Acht gelassen, erinnerungswürdige Horrorshow ihren Anfang nahm. Wie es schien, gab es zwei Docs, nämlich den Sichtbaren, der in etwa seinem Körper entsprach, und den Unsichtbaren, der sein Geist war, und soweit er es mitbekam, hatten die beiden irgendeinen üblen Zoff miteinander, der schon eine ganze Weile dauerte. Um die Sache noch zu verschlimmern, wurde das Ganze irgendwie von Mike Curbs Soundtrack aus The Big Bounce (1969) begleitet, vermutlich die schlimmste Musik, die je einem Film angetan wurde. Zum Glück für beide Docs waren sie im Lauf der Jahre auf genügend solcher unerwünschter Reisen geschickt worden, um über ein nützliches Sortiment paranoider Fähigkeiten zu verfügen. Auch dieser Tage, obwohl gelegentlich noch von irgendeinem Witzbold mit einem harmlos aussehenden Inhalator voller Amylnitrat oder einem rotbäckigen Jüngelchen überrascht, das ihm einen Haps von einer mescalinhaltigen Eiscremekugel anbot, wusste Doc, er konnte sich darauf verlassen, dass die Demütigung - wenn schon nichts anderes - ihn und seinen Wider-sacher-Doc sicher durch jeden noch so unangenehmen Trip lotsen würde.

Zumindest bis jetzt. Aber hier, aus dem, nun ja, nicht direkt Nichts, aber doch irgendeinem mindestens genauso gnadenlosen Ödland kam diese Geistergestalt, hochgewachsen und in einen Umhang gehüllt, mit übergroßen und tückisch spitzen, goldenen Eckzähnen und leuchtenden Augen, die Doc auf widerwärtig vertraute Weise fixierten. «Wie du dir vielleicht schon gedacht hast», flüsterte sie, «bin ich der Goldene Fang.»
  - Thomas Pynchon, Natürliche Mängel. Reinbek bei Hamburg 2010