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Schönheit sterben
Meine
Aufmerksamkeit ist einem kleinen Tintenfisch gewidmet, der Loligo media heißt,
einem zarten, spannenlangen Wesen, das mir jeden Morgen zeigt, wie man in Schönheit
stirbt — um eine beliebte Phrase des Jugendstils anzuwenden. Wirklich verfügt
er über eine fabelhafte Skala brauner, gelber, violetter und purpurener Töne,
aus denen er seinen farbigen Schwanengesang komponiert,
gleich jenen Fischen, die der Freund des Apicius an festlicher Tafel schlachten
ließ. Insbesondere liebe ich eine köstliche Art des Erblassens
an ihm, eine nervöse Nachlässigkeit, durch die er neue, unerhörte Überraschungen
vorzubereiten pflegt. Übrigens besitzt er hierzulande, gleich seinem Bruder,
dem großen Kalmar, und gleich seinen Vettern, dem Oktopus und der wie Perlmutter
schillernden Sepia, gastronomischen Wert, und ich habe ihn mir, um jedes mögliche
Mittel der Erkenntnis an ihm zu erproben, vorsetzen lassen, nach Art der Feinschmecker
geröstet und in hauchdünnen Scheibchen serviert. Was ich gleich geahnt hatte,
bestätigte sich: Die geheime Harmonie, die allen Eigenschaften eines Wesens
innewohnt, wurde auch dem Geschmackssinn offenbar, und ich hätte, selbst mit
verbundenen Augen essend, die Herkunft dieses Bissens mit ziemlicher Treffsicherheit
in das zoologische System einordnen können. Es war nicht Krebs und nicht Fisch,
eher schon Muschel oder Schnecke, was sich da verriet, aber mit einer scharf
ausgesprochenen Eigenart begabt, wie sie einem uralten Geschlechte geziemt.
Sicherlich darf dieser Geschmack nicht fehlen in der Bouillabaisse, jener dicken
Marseiller Suppe, in der die besten Früchte des Mittelmeeres zu einem Bukett
vereinigt sind. -
(ej)
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