mperativ,
kategorischer Am Schlusse seiner Darstellung sagt Kant:
»Wie nun aber reine Vernunft, ohne andere Triebfedern, die irgend woher sonst
genommen seyn mögen, für sich selbst praktisch seyn, d. i. wie das bloße
Princip der Allgemeingültigkeit aller ihrer Maximen als Gesetze, ohne allen
Gegenstand des Willens, woran man zum voraus irgend ein Interesse nehmen dürfte,
für sich selbst eine Triebfeder abgeben und ein Interesse, welches rein moralisch
heißen würde, bewirken, oder, mit andern Worten, wie reine Vernunft praktisch
seyn könne? - Das zu erklären, ist alle menschliche Vernunft unvermögend und
alle Mühe und Arbeit verloren.« - Nun sollte man denken, daß wenn etwas, dessen
Daseyn behauptet wird, nicht ein Mal seiner Möglichkeit nach begriffen werden
kann, es doch faktisch in seiner Wirklichkeit nachgewiesen seyn müsse: allein
der kategorische Imperativ der praktischen Vernunft wird ausdrücklich nicht
als eine Thatsache des Bewußtseyns aufgestellt, oder sonst durch Erfahrung begründet.
Vielmehr werden wir oft genug verwarnt, daß er nicht auf solchem anthropologisch-empirischen
Wege zu suchen sei. Dazu noch wird uns wiederholt versichert, »daß durch
kein Beispiel, mithin empirisch auszumachen sei, ob es überall einen dergleichen
Imperativ gebe«. Und: »daß die Wirklichkeit des kategorischen Imperativs
nicht in der Erfahrung gegeben sei«. - Wenn man das zusammenfaßt, so könnte
man wirklich auf den Verdacht gerathen, Kant habe seine Leser zum Besten.
Wenn nun gleich dieses, dem heutigen Deutschen philosophischen
Publiko gegenüber, wohl erlaubt und recht seyn möchte; so hatte doch dasselbe
sich zu Kants Zeiten noch nicht so, wie seitdem, signalisirt: und außerdem war
gerade die Ethik das am wenigsten zum Scherze geeignete Thema. Wir müssen also
bei der Ueberzeugung stehn bleiben, daß, was weder als möglich begriffen, noch
als wirklich nachgewiesen werden kann, keine Beglaubigung seines Daseyns hat.
- Wenn wir nun aber auch nur versuchen, es bloß mittelst der Phantasie zu erfassen
und uns einen Menschen vorzustellen, dessen Gemüth von einem m lauter kategorischen
Imperativen redenden absoluten Soll, wie von einem Dämon besessen wäre, der,
den Neigungen und Wünschen desselben entgegen, dessen Handlungen beständig zu
lenken verlangte; - so erblicken wir hierin kein richtiges Bild der Natur des
Menschen, oder der Vorgänge unsers Innern: wohl aber erkennen wir ein erkünsteltes
Substitut der theologischen Moral, zu welcher es sich verhält, wie ein hölzernes
Bein zu einem lebendigen.
- Schopenhauer, Preisschrift Über die Grundlage der Moral
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