kone  Ich erinnere mich: zwischen den geraden und hellen Wänden stand die Spinnwebenstille eines Sommermorgens. An den Fuß des Bildes hatte die Sonne einen geraden Strahl gelegt. In ihm schwärmte glitzernder Staub. Gerade auf mich zu trat aus der blauen Tiefe einer Nische die hohe Gestalt des Johannes. Ein schwarzer Umhang hing triumphierend um diesen unerbittlichen, ekelhaft mageren Körper. Blutstropfen blitzten auf den runden Spangen des Umhangs. Der Kopf des Johannes war schräg abgehackt von einem zerschundenen Hals. Er lag in einer irdenen Schüssel, festgehalten von den großen gelben Fingern eines Kriegers. Das Gesicht des Toten kam mir bekannt vor. Mich streifte eine Ahnung des Geheimnisses. In der irdenen Schüssel lag ein Totenkopf, gemalt nach Pan Romuald, dem Gehilfen des geflohenen Priesters. Aus seinem zähnefletschenden Mund hing, bunt mit den Schuppen glitzernd, der winzige Rumpf einer Schlange. Ihr Köpfchen, zart-rosig und voller Leben, hob sich kräftig ab vom tiefen Hintergrund des Umhangs.

Ich bewunderte die Kunst des Malers, seinen düsteren Einfall. Um so erstaunlicher erschien mir am folgenden Tag die rotwangige Gottesmutter, die über dem Ehebett von Pani Eliza hing, der Haushälterin des alten Priesters. Beide Bilder trugen den Stempel desselben Pinsels. Das fleischige Gesicht der Gottesmutter — es war ein Porträt der Pani Eliza. Und hier näherte ich mich der Entschlüsselung des Geheimnisses der Ikonen von Novograd. Die Entschlüsselung führte mich in Pani Elizas Küche, wo sich an den duftenden Abenden die Schatten des alten Untertanen-Polens einfanden, mit einem närrischen Maler an der Spitze. Aber war Pan Apolek ein Narr in Christo, er, der die umliegenden Dörfer mit Engeln besiedelt und den getauften Juden Janek Hinkebein in den Rang eines Heiligen erhoben hatte?  - Isaak Babel, Die Reiterarmee. Berlin 1994 (Friedenauer Presse, neu übs. von Peter Urban - zuerst 1926)

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