deal  Er ist ein altes griechisches Ideal, daß der Mann imstande sein sollte, vollkommen selbständig für sich zu sorgen und zu planen. Es entsteht der Begriff der Autarkie, der nun fortschreitend bis zu seinen letzten Konsequenzen gebracht wird, so wie dies die Erzählungen von Hippias von Elis, dann manches von Sokrates und schließlich die ins Groteske umschlagenden Anekdoten von Diogenes von Sinope veranschaulichen. Der Einzelne beschafft sich bis zum letzten Schuhriemen und Trinkgeschirr alles selbst, was er zum Leben benötigt. Er kann darum auch auf die menschliche Gemeinschaft verzichten. Zusätzlich tritt hier der Gedanke herzu, daß die Vollkommenheit des Menschen der Vollkommenheit Gottes wesensgleich sei; da aber die Gottheit selber autark ist und keines Genossen bedarf (so ist jedenfalls die philosophische Anschauung von Xenophanes), so wird auch der vollkommene Mensch der Gemeinschaft nicht bedürfen.  - Olof Gigon, Vorwort zu (eth)

Ideal (2)  Es war ein altpreußisches, wahrhaft spartanisches Ideal: fünf bis sechs Rohrstockhiebe auf die mit männlicher Selbstverleugnung eigenhändig strammgezogenen Hosen. Manchmal bekam der Rohrstock den Namen des zuletzt Verprügelten. Das war schlimm, aber zugleich ehrenvoll, wenn befohlen wurde: «Krause, hole mal den Grosz aus dem Pult!» Der Rohrstock wurde nämlich wie Schwamm und Kreide für die Tafel im Pult aufbewahrt, und es wurde immer für eine Woche ein besonderer Rohrstockwart dafür bestimmt — eine Art Ehre, wie sie in den alten preußischen Regimentern dem Profosen zuteil wurde, der dafür sorgen mußte, daß die Weidenruten für das Spießrutenlaufen auch ordentlich biegsam waren. - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955

Ideal (3)  «Die Arbeit? Mein Ideal wäre der Müßiggang», versicherte Giulio. «Ganze Nachmittage auf einem sehr bequemen, geräumigen ledernen Lehnstuhl auf der Terrasse eines großen Hotels direkt über dem Meer verbringen; bekömmliche Bücher lesen; schlummern; eine Glocke bequem zur Hand haben; Kellner? Eine Zeitung! Kellner? Einen Cognac! Kellner? Eine Frau, zwei Frauen, drei Frauen! Kellner? Eine Zigarre! Kellner? Schaffen Sie alle diese Frauen fort!»  - Pitigrilli, Der falsche Weg. Reinbek bei Hamburg 1988

Ideal (4)  Untätigkeit bei günstigen äußeren Lebensbedingungen, das war, wenn ich es so ausdrücken darf, in der Tat mein Ideal. Untätigkeit im allgemeinen Sinn: Kein Büro, kein pünktlicher Dienstbeginn, kein Bezugszeichen links oben auf den Akten. Keineswegs durch die Natur schweifen, ich war kein Rutengänger und Steppenwolf, mehr ein Sichauslegen mit Wurm und Angel, etwas anbeißen lassen, Eindrücke, Träume - die große Vergeudung der Stunden. Daß Goethe und Hamsun die körperliche Arbeit an der Erde als letzte Weisheit priesen, schien mir nicht besonders verbindlich in Anbetracht dessen, daß sie persönlich ihre siebzig Jahre lang sämtliche irdischen und überirdischen Dämonen an allen ihnen zur Verfügung stehenden Drüsenfeldern und Ausführungsgängen mit Hexenmilch gelabt hatten, nun wollten sie zum Schluß ihren Zwieback noch einmal in der Laube vespern -das schien mir weniger eine Weisheit als Ermüdung und ein Gähnen. - Gottfried Benn, Weinhaus Wolf. In: G. B., Prosa und Szenen. Ges. Werke Bd. 2. Wiesbaden 1962

Ziel Vollkommenheit
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