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Bartolommeo erwachte . Er hatte aber nicht so bald die Augen geöffnet,
als er — das Fenster war offen — auch sein Zimmer erkannt hatte. Verwundert
hierüber, überlegte er sich, wie und wann er hierher gekommen oder getragen
worden sei. Als er sich nun gar mit seinen eigenen Gewändern bis herab zu den
Pantoffeln bekleidet fand, wurden sein Staunen und seine Verblüffung so groß,
daß er nicht wußte, ob er schlafe oder wache, oder ob er lebe oder tot sei,
oder ob er wirklich Bartolommeo oder ein anderer sei. Nachdem er eine Weile
nachgesonnen und alles aufs genaueste angesehen und erwogen hatte, sagte er
bei sich selbst: »Ich weiß, daß ich Bartolommeo bin, und ich weiß auch, das
ich nicht träume; kein Zweifel, daß dies mein Zimmer, dies mein Bett und das,
was ich anhabe, meine Kleider sind; wer sie mir aber angezogen oder mich hierher
gebracht hat, daß weiß ich nicht mehr: ich müßte meiner Meinung nach doch in
der Bodenkammer sein.« Als er so den Kopf erhob, sah er auf dem Tisch seinen
Mantel liegen. Alsbald richtete er sich empor, schaute genau hin und war ganz
sicher, daß es derselbe sei, den er am Tage getragen. Nun bemerkte er auch die
Tasche, die daneben lag. Das erfüllte ihn mit neuer Verblüffung, und er wußte
nicht, was er davon halten sollte. Er setzte sich daher auf das Ruhebett und
ging alles wieder durch, was sich ereignet hatte, indem er bei sich sprach:
Hab' ich der Puffmutter gestern nicht zwölf Dukaten gegeben? Bin ich nicht gegangen,
um bei meiner Lucrezia zu liegen? Wurde ich nicht, als wir, gerade wie es schön
werden wollte, gestört wurden, auf dem Abtritt versteckt? Blieb ich dort nicht
mehrere Stunden? Genoß ich nicht auf seltsame Weise an Stelle Lucrezias Marcos
Frau? Wurde ich nicht, als der Gatte die Sache merkte, von ihnen gepackt und
gefesselt und zuvor derart geprügelt, daß mir der Rücken noch weh tut? Tat dieser
Schurke von Diener nicht, als ob er mich noch nie gesehen habe? Ließ mich die
Frau nicht zuletzt der Fesseln entledigen und befreite mich? Ging ich nicht
zu meinem Haus und wurde mir nicht, nachdem ich eine Weile geklopft hatte, von
der Magd geantwortet? Schlich ich mich dann nicht aus Angst vor meiner Frau
auf Anraten der Magd in die Bodenkammer? Versprach sie nicht, sowie Ginevra
in die Messe gegangen sein würde, zu kommen und mich zu rufen? War ich nicht
(da ich meine ganzen Kleider im Hause Marco Cimurris zurückgelassen hatte) im
Hemd? Wie kommt es, daß ich jetzt in meinem Erdgeschoßzimmer bin und eben diese
Kleider anhabe? Was für ein erstaunliches, unerhörtes Geschehnis ist dies doch!
Ein Wunder, nicht geringer als die Heilung eines Lahmen oder eines Blinden!«
Und je mehr er darüber nachdachte, desto wunderbarer erschien ihm die Sache.
Dann nahmen seine Gedanken eine andere Richtung, und er sagte bei sich: »Vielleicht
ist es mir nur so vorgekommen und habe ich alle diese Dinge nur geträumt. Aber
halt! Geld gibt man doch nicht im Schlaf aus.« Damit griff er schnell zu seiner
Tasche, suchte nach und fand das Geld drin, lauter Goldfüchse und sozusagen
dieselben. Hierüber noch viel erstaunter denn zuvor, rief er aus: »Entweder
bin ich nicht Bartolommeo, oder ich bin verrückt, oder ich bin verhext und verloren;
aber wenn selbst der Himmel sagen würde, daß es nicht der Fall sei: ich bin
trotzdem in meinem Haus - das da ist zweifellos mein Mantel und das meine Tasche,
und darin befinden sich die zwölf Dukaten, die ich der Kupplerin gegeben zu
haben glaubte. Ich weiß genau, daß ich wach bin und glaube nicht verrückt und
auch nicht behext zu sein, auch weiß ich, daß ich es selbst bin und daß ich
mich in meinem Zimmer befinde: ich sehe es, ich erkenne es, ich bin fest davon
überzeugt — aber auf welchem Weg oder wie ich hierher gekommen bin oder wer
mich hergebracht, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich weiß, daß der heilige
Geist es nicht gewesen ist; denn das verdiene ich nicht; auch durch die
Kunst des Teufels kann es nicht geschehen sein;
denn der Satan tut immer Böses und dies scheint mir das Gegenteil.«
- Antonfrancesco
Grazzini, Feuer auf dem Arno. Berlin 1988 (zuerst ca. 1550)
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