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erwachendes
Ich erwache,
und ich bin die VERWESUNG; ich bin nicht tot, die VERWESUNG erheischt vom Dasein
eine verschlagene Mitarbeit. Sie ist vital, wie es in jeder Werbung für die
VERWESUNG heißt. Eine winzige Maus logiert in meinem linken Arm, und rosige
Maden kriechen über meine Zunge und Kehle hinunter in meinen Bauch, wo ein Nest
rötlicher Ameisen seinen Wohnsitz hat. Ich spüre, wie überall Bruchstücke meiner
Gebeine auftauchen, aber trotzdem weiß ich, auch wenn mein ganzes Gerippe von
diesen zahllosen Tieren, die eine verdorbene Vitalität niedrigsten Ranges haben,
ausgehöhlt würde, ich wäre doch nicht tot. Wenn die fetten, schwerfälligen Mäuse,
indem sie meinen Totenschädel beiseite schieben, mein ganzes Aas auflösen würden,
und ich Sammelstätte zerbrochener und durcheinander geworfener Gebeine wäre,
ich wäre doch nicht tot. Denn ich bin die VERWESUNG, und das ist keine Berufung,
sondern eher ein Beruf, besser gesagt ein Gewerbe, eine handwerkliche Andacht,
die den Eingriffen der Mäuse, Würmer, Maden und Insekten gilt. Ich weiß, daß
ich nach Moder und Fäulnis stinke und daß nur ich allein mit meinem Leben zusammenleben
kann. Um mich herum erblicke ich den bleichen Schimmer der Hygiene, Männer,
die sich an meine mephitische Inbrunst gewöhnt haben, Grubengräber, seit Jahrhunderten
dazu vorgesehen, mit den Leichen der von Dürre und Verzweiflung zerstörten Kaiserreiche
zu verkehren.
- Giorgio Manganelli, Kometinnen
und andere Abschweifungen. Berlin 1997
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