ydrodynamik Irigaray kommt auf die Hydromechanik zu sprchen:
Das, was von der Ökonomie des Flüssigen
nicht interpretiert sein wird - zum Beispiel gegen Festkörper ausgeübte
Widerstände -, wird endgültig Gott übereignet worden sein. Das
Nichtberücksichtigen der Eigenschaften des realen Flüssigen -innere
Reibungen, Drücke, Bewegungen etc., das heißt seine spezifische Dynamik
- wird dazu führen, das Reale Gott zu überlassen, wobei in der
Mathematisierung des Flüssigen nur die idealisierbaren Charaktere
desselben wiederholt werden.
Oder anders: die Betrachtungen der reinen Mathematik werden keine
Analyse des Flüssigen gestattet haben, außer im Hinblick auf
lamellierte Flächen, spiralförmige Bewegungen (eine Strömung, die den
Bezug auf eine Achse privilegiert), in Hinblick auf punktförmige
Quellen, Senken, Wirbel, die zur Realität höchstens eine approximative
Beziehung unterhalten. Wobei sie etwas übriglassen. Bis zum
Unendlichen: das Zentrum dieser "Bewegungen" korrespondiert der Null
und setzt hierbei eine unendliche Geschwindigkeit voraus, die
phy-si(kali)sch unzulässig ist. Diese "theoretischen" Flüssigkeiten
werden bestimmt die Technizität der Analyse, auch der mathematischen,
vorangetrieben haben, wobei jedoch jeglicher Bezug zur Realität der
Körper verlorengeht.
Was folgt daraus für die "Wissenschaft" und die psychoanalytische Praxis? (Irigaray 1979)
In diesem Abschnitt zeigt Irigaray, daß sie die
Funktion von Annäherungen und Idealisierungen in der Wissenschaft nicht
versteht. Erstens sind die Navier-Stokes-Gleichungen Annäherungen, die
nur im makroskopischen (oder zumindest supra-atomaren) Maßstab gelten,
da sie die Flüssigkeit als Kontinuum behandeln und ihre
Molekularstruktur vernachlässigen. Und da diese Gleichungen selbst sehr
schwer zu lösen sind, versuchen Mathematiker, sie zunächst in
idealisierten Situationen oder durch mehr oder weniger kontrollierte
Annäherungen zu untersuchen. Aber die Tatsache, daß beispielsweise die
Geschwindigkeit im Inneren eines Wirbels unendlich ist, bedeutet nur,
daß die Annäherungen in der Umgebung dieses Punkts nicht zu ernst
genommen werden sollten - was von Anfang an klar war, da der Ansatz
ohnehin nur deutlich oberhalb der Molekularebene sinnvoll ist.
Jedenfalls ist nichts "Gott übereignet"; es gibt, ganz einfach,
wissenschaftliche Probleme, die künftigen Generationen vorbehalten
bleiben.
Schließlich ist schwer erkennbar, welcher Zusammenhang, abgesehen von
reiner Metaphorik, zwischen der Hydromechanik und der Psychoanalyse
bestehen könnte. Angenommen, es stellt morgen jemand eine befriedigende
Turbulenztheorie auf. Inwiefern würde (oder sollte) dies unsere
Theoriebildung zur menschlichen Psyche beeinflussen?
Es ließen sich noch weitere Äußerungen von Irigaray zitieren, aber der
Leser kann (wie wir selbst auch) ihr vermutlich schon jetzt nicht mehr
folgen. Sie beschließt ihren Aufsatz mit einigen tröstenden Worten:
Und wenn Ihr zufällig den Eindruck habt, noch nicht alles verstanden zu haben, dann laßt doch Eure Ohren vielleicht ein wenig offen für das, was sich so nahe berührt, daß es Eure Diskretion darüber verwirrt. (Irigaray 1979)
Insgesamt gesehen, hat Irigaray die physikalischen und mathematischen Probleme, die sich in der Hydromechanik auftun, nicht begriffen. Ihr Diskurs basiert lediglich auf vagen Analogien, die überdies die Theorie tatsächlich existierender Flüssigkeiten mit deren bereits analoger Verwendung in der Psychoanalyse verwechseln. Irigaray scheint sich dieses Problems bewußt zu sein, da sie darauf wie folgt antwortet:
Falls man einwendet, daß die so gestellte Frage sich allzusehr auf Metaphern stützt, kann leicht darauf erwidert werden, daß sie vielmehr das Privileg der (quasi festen) Metapher über die Metonymie (die viel eher Anteil am Flüssigen hat) verwirft. (Irigaray)
Diese Antwort erinnert uns an den alten jüdischen Witz:
"Warum beantwortet ein Jude eine Frage immer mit einer Gegenfrage?"
"Und warum sollte ein Jude eine Frage nicht mit einer Gegenfrage
beantworten?"
- Alan Sokal, Jean Bricmont, Eleganter
Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen.
München 2001
|
||
|
|
|