yäne  eîn tîer heizzit igena un ist uuilon uuib uuîlon mân. unde durih daz ist ez uile unreine solihe uuarin di der erist crist petiton un after diu abgot beginen. daz bezeichenet di der neuuedir noh ungeloubige noh rehtegeloubige nesint. von diu chat salomon. didir zuiualtic sint in irro herzin dîe sint ôuh zuiualtic in iro uuerchin - Ahd. Physiologus

Hyäne (2) Das Gesetz spricht: Iß nicht die Hyäne, noch was ihr gleicht. Der Physiologus hat von ihr gesagt, sie sei mannweiblich, nämlich zu Zeiten männlich, zu Zeiten weiblich. Sie ist ein beflecktes Tier wegen dieses Wechsels ihrer Art. Weswegen auch Jeremia sagt: Nicht einmal eine Hyänenhöhle ist mir mein Erbe geworden.
Drum mach auch du dich nicht gleich der Hyäne; denn solcher Art Leute tadelnd hat der göttliche Apostel gesagt: Männer haben an Männern ihrer Unnatur gefrönt. - (phys)

Hyäne (3) Das Essen von Hyänenfleisch ist ein wirkungsvolles Mittel gegen den Biss tollwütiger Hunde; andere sind der Ansicht, die Leber allein habe eine grössere Heilkraft. Die Nerven oder Sehnen einer Hyäne, pulverisiert, getrocknet, mit Weihrauch vermischt und so getrunken, machen eine unfruchtbare Frau fruchtbar. - Plinius, nach: Colin Clair, Unnatürliche Geschichten. Ein Bestiarium, Zürich 1969 (zuerst 1967)

Hyäne (4) Die Hyäne hat, wie Aristoteles berichtet, in der linken Vorderpfote eine einschläfernde Kraft. Durch bloße Berührung bewirkt sie Tiefschlaf. So schleicht sie sich oft in Grundstücke ein, und wenn sie einen Schläfer findet, nähert sie sich, legt ihre "Schlafpfote" auf seine Nase, daß er seufzt und stöhnt. Dann scharrt sie den Boden unter seinem Kopf so weit weg, daß sein Nacken in die Höhlung sinkt und seine Gurgel sich offen und ungeschützt darbietet. Die Hyäne legt sich darauf und erstickt ihr Opfer, und dann zerrt sie es in ihre Höhle.

Mit Hunden wird die Hyäne auf folgende Weise fertig: Wenn der Mond voll ist, stellt sie sich in sein Licht und läßt ihren Schatten auf die Hunde fallen. Sogleich verstummen sie, und verzaubert wie von Hexen führt sie sie schweigend davon, und von da an kann sie mit ihnen machen, was sie will. - (ael2)

Hyäne (5) Iena kann man auf Deutsch ein Grabtier nennen, denn das Tier wohnt, wie sowohl Plinius als auch Solinus sagen, in den Gräbern verstorbener Menschen und hat die Eigenschaften eines Mannes und einer Frau. Das hat ein so festes Rückgrat und einen so starren Hals, daß es seinen Kopf nicht drehen kann, es sei denn, es wendet sich insgesamt um. Wenn die Jagdhunde seinen Schatten berühren, verlieren sie ihre Stimme. Es verändert seine Farbe, wenn es will. Es geht in den Fußstapfen eines jeden Tieres, das es fangen will. Es trägt einen Edelstein in seinen Augen; aber andere Gelehrte sagen, es trage ihn auf der Stirn. Es ist so groß wie ein Wolf und hat am Hals hartes Haar wie ein Pferd und hat einen sehr harten Rücken, wie Plinius sagt. Aristoteles und Jacobus sagen, daß es in die Pferdeställe geht und die Namen und die Stimme der Menschen lernt, und zwar zu dem Zweck, den Menschen durch regelrechte Täuschung bei seinem Namen zu sich zu rufen und ihn dann zu töten. Es tut auch manchmal wie ein Mensch, der sich unter Husten und Schluchzen übergeben muß, bis es die Hunde zu sich gelockt hat; dann frißt es die. - (meg)

Hyäne (6)   Haben Sie sie einmal im Zoo gesehen, wie sie unablässig von einem Ende des Käfigs zum anderen wandern, als litten sie unter Gewissensqualen? Ich denke jetzt an die gefleckte Hyäne, die in der Savanne am häufigsten vorkommt. Ein ekelhaftes Tier mit einem Geschrei, das dem tapfersten Burschen die Haare zu Berge stehen laßt. Sie müßten einmal sehen, wie sie rennen, es sieht aus, als würden sie hüpfen, weil ihre Vorderbeine länger sind als ihre Hinterbeine. Genau umgekehrt wie bei den Flöhen... Haha! Wissen Sie, was die Eingeborenen von den Hyänen glauben? Sie glauben nichts Geringeres als daß der Körper dieser widerlichen Kreaturen einen Stein mit wunderbaren Eigenschaften in sich birgt und daß ihre Augen sich im Tod versteinern. Sie glauben auch, daß sie imstande sind, die menschliche Stimme perfekt nachzuahmen, und sich dieses Tricks bedienen, um die Männer beliebig anzulocken und sie dann zu verschlingen... Ja, ja, genau wie manche Frauen, jetzt kann ich nicht umhin, Ihnen recht zu geben. Es gibt Frauen, die auf ihre Art ebenfalls die Männer verschlingen.

Gehören Sie auch zu dieser Sorte? Wären Sie imstande, mich zu verschlingen? Könnten Sie mir die Eckzähne in den Hals schlagen und mir das Blut aussaugen? Tun Sie es, tun Sie es jetzt sofort, ich gedenke nicht einen Finger zu rühren zu meiner Verteidigung ... Kommen Sie aus dem Telefonhörer heraus, materialisieren Sie sich wieder in diesem Zimmer, umfassen Sie mich mit einem glühenden Blick und durchbohren Sie mich mit Ihren Zähnen. - Javier Tomeo, Der Löwenjäger. Berlin 1988

Hyäne (7)  Es gibt im Zoologischen Garten einen Winkel, an den ich jahrelang nur mit Schaudern denken konnte, mit einem Schaudern, das auf eine ganz frühe Jugenderinnerung zurückgehen mochte. Es ist der Käfig hinter dem Raubtierhause, in welchem, solange ich zurückdenken kann, zwei Hyänen leben. Sie wandern wie zwei verfluchte Unholde ruhelos im Irrsinn hinter den Eisenstäben her und hin und hin und her; wie ein ruhelos fragender Gedanke im Hirn, der keinen Ausweg finden kann. Der Käfig hat wohl nicht mehr als vier Meter Breite und zwei Meter Tiefe. Der Boden ist mit schmutzigem Sande bedeckt. Die Hyänen halten ihre Hälse gestreckt; sie lauern gespannt in den Wahnsinn hinein; ihre Lichter sind blutunterlaufen und lauern tückisch und matt. Man erzählte mir, daß ich als kleiner Knabe geschrien habe, sooft ich in die Nähe dieses Käfigs kam.
Ich entsinne mich, daß man mich zur Strafe zwang, stillzustehn und den Hyänen in ihre kranken Augen zu blicken. Das war wie Versinken in Höllengrauen. Es läuft mir noch den Rücken entlang, wenn ich es mir vergegenwärtige. In der Schule erzählte ein Lehrer, daß die Hyänen bei Nacht und von Leichen leben und überall erscheinen, wo sie Aas wittern. Zu feige, um selber zu morden, hängen sie sich doch an die Spur der mörderisch schönen Raubtierkolosse und nähren sich grausam im Dunkel der Nacht von verwesendem Luder.

So stellte ich als Kind mir die Hyänen immer vor: bei Nacht auf Kirchhöfen Leichen aufscharrend. Ich konnte ihren Blick nicht ertragen; nicht weil ich mich davor fürchtete, sondern weil dies Stück Seele, wenn ich darein versank, sofort wie Gift abgestoßen und ausgestoßen wurde. Am gräßlichsten aber war mir ihr Anblick nachmittags, wenn die Stunde der Fütterung nahte. Dann bemächtigte sich der Tiere ein Irrsinn, dem sie hilflos ausgeliefert waren. Sie jagten in irrer Gier fortdauernd die paar Schritte auf und ab. Der Sand stob empor und bildete eine Wolke. Das dauerte, bis der Wärter kam und ihrem Wahnsinn ein Stück blutigen Kadavers hinwarf. . .

Diese Eindrücke aus der Kindheit waren schon zu Träumen verblaßt in der Zeit, wo ich als Student oft vor die Hyänen trat und sie ruhig erforschte. Sie waren mir immer noch das abstoßendste Stück Leben, abstoßender selbst als die Totenkopfgeier und die rätselhaften Schlangen. Aber ich erinnere mich noch des Augenblicks, wo mir vor diesem Hyänenkäfig im Zoologischen Garten der Gedanke aufging, den ich dann jahrelang nicht verloren habe. »Jedes Tier«, so sagte ich mir, »ist das unmittelbare Gestaltbild seines Wollens und seiner Triebballung. Ein schönes und starkes Wollen, wie das des Tigers, offenbart sich als schöne, starke Gestalt. Aber wenn ein Geschöpf feige, heimtückisch, perfid, schleichend denkt, wie diese Hyänen, so muß es auch diesen geduckten, verbrecherischen Gang, diese nachtäugigen Lichter, diese kleine Mörderstirn haben. Die Natur lügt nicht. Hier zeigt sie den gestaltgewordenen Leichenraub. Und weil sie sich von Aas nähren, so sehen sie selber aus wie verschimmelnde Leichen, scheckig und wie für die Gruben des Schinders bestimmt. Darum stinken sie abscheulich und ducken sich durchs Leben, schielend wie das böse Gewissen. Das ist der Ausdruck geschlechterlangen schlimmen Tuns; ein leibgewonnener Meuchelmord.«
Dabei beruhigte ich mich lange.

Einmal aber kam mir vor demselben Käfig ein ganz anderer Einfall. Ein Problem ging mir auf, daran ich noch heute grüble. Sollten diese Tiere wirklich so fluchwürdig häßlich sein, weil sie geschlechterlang immer Fluchwürdiges und Häßliches taten? Konnte nicht gerade umgekehrt dieses hier eine Seele sein, verflucht, das Häßliche tun zu müssen, darum, weil sie häßlich ist? Bangestes aller Rätsel! Was ist das erste? Ist Gestalt, Charakter, Typus der Ausdruck und Niederschlag einer Tatenreihe? Oder ist umgekehrt alles Tun und damit auch alles Schicksal nur das notwendige Ausleben eines verfluchten und gehaßten Geschlechts. . .? Von Stunde an war mein Kindergefiihl verflogen. Die Hyänen waren mir nur noch schauerlich, aber nicht mehr abstoßend und abscheulich. Sie schienen mir belastete Lebensmächte, unerlöst und unerlösbar: verdammt, in dieser Welt schöner Tagesgestalten, heimtückisch und mitternächtig, gleich der Erichtho, zu hausen; von allen gemieden und zur Häßlichkeit vorbestimmt. Ich fühlte nicht mehr wie als Kind: »Wer so aussieht, der mußja Garstiges tun. Er kann nicht anders.«

Von diesem Gefühl des Schauders vor dem Verbrechen als Sternenverhängnis ist es aber gar nicht mehr weit bis zum Mitleid für den zum Tragen seiner Schuld Verdammten. Freilich so weit brachte ich es nie, wie der Hindu vor den Hyänen zu sagen: »tatwamasi«*.  

*"Auch das bist du"

 - Theodor Lessing, nach (arc)



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