undeschwanz
Jawohl, Süffel war etwas passiert. Um genau zu sein, Süffels Schwanz
war etwas passiert, aber was, das konnte der verblüffte Hund nicht genau herausfinden.
Er konzentrierte sich mit dem ganzen bißchen Kraft, das er besaß, auf das widerspenstige
Körperglied und bemühte sich verzweifelt, es zu seiner normalen Funktion zu
bewegen. Kein Wedeln, nicht einmal ein Ansatz, belohnte seinen Einsatz. In Süffels
Augen spiegelte sich Entsetzen. Er drehte den Kopf über die Schulter und musterte
nachdenklich seinen Schwanz. Ja, er sah es mit einem Blick: Da war etwas absolut
nicht in Ordnung. Der Schwanz sah weder aus wie üblich, noch fühlte er sich
an wie üblich. Anstelle der weißen, flauschigen Bürste, die ihn mit so großem
Stolz erfüllte, war der Schwanz eine beachtliche, drohende Keule. Kein Härchen,
das normalerweise zu dem Ruhm des tout ensemble beitrug, rührte sich. Der Schwanz
hätte ebenso gut aus Stein sein können - ohne Leben und ohne Sinn. Und er war
schwer, entschieden zu schwer, um sich bequem bewegen zu lassen. Offensichtlich
war es kein Schwanz, den man mit sich herumtragen konnte. Abgesehen von der
schwer zu ertragenden Heiterkeit, die er damit erregen würde, war da noch die
Sache mit den Strapazen. Würde der abnormale Schwanz ihn zwingen, auf einer
Stelle sitzenzubleiben? Bedeutete er das Ende seiner amourösen Abenteuer? Die
Konkurrenz war weiß, Gott groß genug, aber mit einem solchen Schwanz ... unmöglich!
Der erschöpfte Süffel war nicht bereit, diesem tragischen Gedanken nachzuhängen,
und unternahm eine letzte Anstrengung. Diesmal stellte er die vertraute Ordnung
der Dinge auf den Kopf. Anstatt mit dem Schwanz zu wedeln, wedelte er heftig
selbst! Der Schwanz pendelte schwerfällig, und zwar so schwerfällig, daß Süffel
das Gleichgewicht verlor und zu geschickter Pfotenarbeit greifen mußte, um nicht
zu fallen. Das war für den Hund einfach zuviel. Er setzte sich entnervt und
sagte sich von seinem Schwanz los. Doch Süffel sollte entdecken, daß sich kein
Hund völlig von seinem Schwanz lossagen kann. Seiner, zum Beispiel, polterte
geräuschvoll hinter ihm auf den Boden. Der Hund wirkte verstört. Langsam drehte
er den Kopf über die Schulter und näherte die gerümpfte Nase dem Schwanz. Dann
berührte er ihn mit großer Überwindung mit der Zungenspitze. Zu seinem Entsetzen
stellte er fest, der Schwanz war so kalt und leblos wie Stein. Süffel hatte
den Verdacht: Er war aus Stein! - (
goetter
)
Hundeschwanz (2)

- Ernst Kahl, Bestiarium perversum. Bd. 1. Hamburg 1985
Hundeschwanz (3) Wer meinen Hund am Schwanz angreift, faßt mich an der Nase an. - (idg)