Aber sprechen wir der Reihe nach von allem. Wenn ich eine Erzählung zum erstenmal niederschreibe, dann sieht mein Manuskript scheußlich, einfach widerlich aus. Es stellt ein Sammelsurium von einigen mehr oder minder gelungenen Bruchstücken und äußerst langweiligen Verbindungen dar, sogenannten ›Brücken‹, einer Art schmutziger Schnüre. Sie können die erste Variante der ›Ljubka Kasak‹ durchlesen, und Sie werden sich davon überzeugen, daß es ein ohnmächtiges, zahnloses Gestammel ist, eine ungeschickte Anhäufung von Wörtern. Aber hier fängt die Arbeit ja erst an. Hier ist ihr Ausgangspunkt. Ich prüfe Satz um Satz, und nicht nur einmal, sondern mehrmals. Vor allem werfe ich aus jedem Satz alle überflüssigen Wörter hinaus. Das erfordert ein scharfes Auge, denn die Sprache weiß ihren Kehricht, die Wiederholungen, Synonyma oder einfach sinnlose Wendungen, geschickt zu verbergen und scheint in einem fort darauf aus zu sein, uns zu überlisten. Wenn diese Arbeit beendet ist, schreibe ich das Manuskript mit der Schreibmaschine ab (der Text tritt so besser hervor). Dann lasse ich das Manuskript zwei oder drei Tage liegen — vorausgesetzt, daß ineine Geduld dazu ausreicht —, und prüfe es aufs neue, Satz für Satz, Wort für Wort. Und ich finde dabei bestimmt noch eine ganze Menge übersehener Melde oder sonstigen Unkrauts. So arbeite ich, indem ich den Text jeden Tag aufs neue abschreibe, bis ich in meinem Manuskript selbst bei der unerbittlichsten Krittelei nicht das geringste Kömchen Staub mehr entdecken kann. Aber das ist noch keineswegs alles. Warten Sie ab ! Wenn der Kehricht ausgefegt ist, prüfe ich die Bilder, Vergleiche, Metaphern auf ihre Frische und Genauigkeit. Finde ich keinen passenden Vergleich, dann lasse ich ihn am besten ganz fort. Mag das Substantiv aus sich selbst, durch seine Einfachheit leben! Ein Vergleich muß genau sein wie ein Rechenschieber und natürlich wie der Geruch des Dills. Ja, was ich vergessen habe zu sagen — ich teile den Text, bevor ich den Wortkehricht hinauswerfe, in leichte, einfache Sätze auf. Möglichst viele Punkte ! Ich würde diese Regel in eine Regierungsverordnung für Schriftsteller aufnehmen. Jeder Satz — ein Gedanke, ein Bild, nicht mehr. Haben Sie keine Angst vor Punkten! Meine Sätze sind vielleicht allzu kurz. Das kommt zum Teil daher, daß ich an chronischem Asthma leide. Ich kann nicht langatmig sprechen. Dazu reicht mein Atem nicht aus. Je mehr lange Sätze, desto ärger die Atemnot.
Ich bin bemüht, so gut wie alle Partizipien und Gerundien aus dem Manuskript
auszumerzen, und lasse nur die notwendigsten stehen. Partizipien machen die
Sprache eckig und schwerfällig und zerstören die Sprachmelodie. Sie knirschen,
als rollten Panzer auf ihren Raupen über eine Steinsperre. Drei Partizipien
in einem Satz sind Meuchelmord an der Sprache. Ich meine alle diese »darreichend«,
»erwerbend«, »sich konzentrierend« und so weiter und so fort. Das Gerundium
wirkt — verglichen mit dem Partizip — immerhin noch flüssiger. Manchmal verleiht
es der Sprache sogar eine gewisse Beschwingtheit. Mißbraucht man es jedoch,
so wirkt die Sprache knochenlos, miauend. Ich bin der Ansicht, daß ein Hauptwort
nicht mehr als ein Eigenschaftswort verlangt, aber ein wirklich gut gewähltes.
Zwei Eigenschaftswörter zu einem Hauptwort kann sich nur ein Genie leisten.
- Konstantin Paustowskij, Die Zeit der großen Erwartungen, nach (
babel
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